MUTAUSBRUCH: Ösien ist „abgesandelt“

Im August 2013 fiel im Umfeld des wie immer sehr g’scheiten Forums Alpbach eine skandalöse Bemerkung. „Abgesandelt“ nannte der damalige Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl den Wirtschaftsstandort Österreich.

Bis 2007 habe man wirtschaftlich mit den Besten wie Schweden und der Schweiz mitgehalten, doch zuletzt sei man zum europäischen Durchschnitt eben „abgesandelt“. Und der Affront gegen die alpenrepublikanische Selbstzufriedenheit ging noch weiter: Wenn die USA als Krisenverursacher (die Lehman-Immo-Pleite löste damals eine weltweite Banken- und später Eurokrise aus, Anm.) ein Wachstum von zwei Prozent aufwiesen, Österreich aber nur eines von 0,2 Prozent, sei das „eine Schande“. Die Empörung über die „Nestbeschmutzung“ war enorm.

Abgesang

Heute, gut zehn Jahre später, würde sich Österreich über ein Wachstum von 0,2 Prozent vor lauter Freude überschlagen. Aktuell treibt die Insel der Seligen mit gesamtwirtschaftlich -0,8 Prozent tief in der trüben Suppe der Rezession, in der Industrie dürften es eher zwei Prozent minus sein. Und Leitls Nachfolger Harald Mahrer sieht sich gezwungen, wenn auch mit weniger drastischen Worten, den Notstand auszurufen: „Österreichs wirtschaftlicher Glanz verblasst“, ließ Mahrer Anfang der Woche bei einem Pressegespräch wissen. Europa sei bereits „am absteigenden Ast“, und Österreich preise sich durch hohe Arbeits- und Energiekosten und eine übermäßige Steuerlast der Unternehmen „aus dem Markt“. Dazu kommen der Arbeitskräftemangel und die Zukunftsbremse Bürokratie.

Abwanderung

Seine glasklare Warnung unterfüttert Mahrer mit bedenklichen Umfrageergebnissen. Das renommierte Beratungsunternehmen Deloitte hat herausgefunden, dass 90 Prozent der befragten heimischen Unternehmen die Attraktivität des Standorts Österreich im Sinkflug sehen. Knapp drei Viertel befürchten eine Deindustrialisierung, ein Viertel hat in den vergangenen drei Jahren bereits Produktion ins Ausland verlagert.

Abstieg

Das Bauchgefühl der Unternehmerinnen und Unternehmer wird von der Wissenschaft bestätigt. Im aktuellen Standortranking des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ist Österreich – von 2006 bis 2020 immer ein Top-Ten-Kandidat – vom neunten auf den 13. Platz abgerutscht. Auch das „Deloitte Radar 2023“ verortet Österreich nur mehr im Mittelfeld, die Alpenrepublik gelte zwar noch als attraktiver Wirtschaftsstandort, aber „es fehlt Österreich an Ambitionen, besser zu werden“. Deutlich weniger charmant fällt das Urteil des Lausanner IMD im Global Competitiveness Index 2023 aus. Dort findet sich Österreich auf Rang 24 von 64 untersuchten Ländern wieder. 2007 lagen wir dort noch auf Platz 11.

Abschwung

Einen Anlass für eine breite Debatte darüber, wie Österreich seinen Wohlstand erhalten will, haben die politisch Verantwortlichen seit dem Weckruf Leitls 2013 in der desaströsen Entwicklung offenbar nicht gesehen. Das Industriemagazin hat dankenswerterweise schon einmal eine Inhaltsangabe für das staatliche Pflichtenheft zusammengefasst: „Die Gründe für diesen Rückfall sind vielfältig und durchaus bisher wenig in Österreich diskutiert worden. Neben klassischen Faktoren wie zu hohen Steuern oder dem Arbeits- und Fachkräftemangel sind auch Indikatoren wie Pensionen, Bildungs- und Gesundheitssystem, Infrastruktur, Raumplanung, soziale Absicherung und Energieversorgung in den Fokus gerückt. Aber auch zunehmende Rechtsunsicherheit, Korruption und politische Instabilität trüben die Standortqualität. Im Wesentlichen sind Reformverschleppungen in den unterschiedlichen politischen Bereichen Hauptursache. Beispielsweise wird die öffentliche Verwaltung in Österreich zunehmend als ineffizient wahrgenommen, während andere Länder, wie etwa Schweiz, Schweden oder Dänemark, in den letzten Jahren wesentliche Verwaltungsreformen auf den Weg gebracht haben.“

Klingt jetzt ein bisserl blöd. Aber ich bin sicher, mit dem Ösien-Politikpatentrezept – ein paar weitere parlamentarische Untersuchungsausschüsse, jahrelange Politikerprozesse, mediale Kapitalismuskritik, ungesteuerte Zuwanderung und höhere Umweltsteuern – lassen sich diese Probleme ganz leicht lösen.

M.U.T.letter

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