Der Weltwirtschaft ein Schnippchen schlagen!

Der Exporttag der Wirtschaftskammer Kärnten und der Raiffeisen Landesbank brachte zahlreiche ExpertInnen nach Klagenfurt. In ihrer Keynote skizzierte Eveline Steinberger, Seriengründerin und Investorin, die zahlreichen Chancen, die die Vernetzung mit sich bringt, vor allem im Hinblick auf die Weltwirtschaft. Und wie wichtig der Faktor Innovation ist. Einen Auszug daraus möchten wir hier unseren M.U.T.-LeserInnen gerne näherbringen:

„Die Weltwirtschaft war immer schon in Bewegung. Was neu ist, ist das Tempo dieses globalen Wandels. Denn erst in einer Krise sehen wir, wie vulnerabel unsere Lieferketten sind. Produktionsstillstände bei irgendwelchen chinesischen Produzenten haben bewirkt, dass es Lieferverzögerungen gab. Das hat direkte Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft. Und nicht nur der Angriffskrieg in der Ukraine beschäftigt uns auf einmal, auch die Bewältigung der Klimakrise und der ständige Wettstreit, wer denn jetzt die Technologieherrschaft hat: China oder die USA …

Das alles wirkt wie ein Teilchenbeschleuniger. Die Frage, die sich mir stellt und die sich uns allen stellen soll: Was bedeutet das für uns in Europa? Wie können wir unsere Wettbewerbsfähigkeit, den Wohlstand und das Glück für unsere Menschen in diesem Land erhalten? Politische Unsicherheiten verstärken die Verunsicherung. Das Ergebnis sind steigende Energiepreise, die wachsende Inflation, Rohstoffe, die nicht mehr verfügbar sind, und viele andere Bedrohungen für unseren traditionellen Wirtschaftsstandort.

Wir können mit alten Denkmustern nicht die neuen Herausforderungen lösen.

Man kann den Schluss daraus ziehen, dass unsere traditionellen politischen Verhältnisse sehr schwächeln. Ich denke, es braucht einen neuen Dialog. Wir hören zu, um gleich zu antworten. Wir haben aber verlernt zuzuhören, um wirklich zu verstehen. D.h. es braucht wieder eine andere Art der Auseinandersetzung, eine Neugierde. Wir können mit alten Denkmustern nicht die neuen Herausforderungen lösen. Es ist auch vielfach nicht möglich, so große Themen, wie die Bewältigung der Klimakrise oder die Regulierung von künstlicher Intelligenz national zu lösen. Das versteht das Unternehmertum auch gar nicht. Wir sind international tätig, wir haben unsere Wertschöpfungsketten global strukturiert, aber politische Lösungen sollen national gelöst werden.

Mein Lösungsansatz ist der Umbau des Energiesystems zu einem sauberen, nachhaltigeren und effizienteren System: Wir brauchen weltweit 9,2 Billionen Euro (!) pro Jahr, um die Net-Zero 2050-Ziele zu erreichen. Das sind 7,5 % des globalen Bruttosozialproduktes. Das erscheint mir machbar. Aber: Ein Drittel dieser Kapitalausgaben muss aus der Innovation kommen! Innovation ist – denke ich – der Schlüssel für alles. Es ist der Treiber für die Wirtschaft und es garantiert am Ende nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit, sondern in der Folge auch Glück, Gesundheit, Wohlstand, eine intakte Umwelt. Und ich denke, wenn wir das in Angriff nehmen, dann müssen wir sehr breit denken. Das ist nicht nur die Energieproduktion, das fängt an bei der Landwirtschaft, über die Abfallwirtschaft, den Transport, geht rein in den Bau und in die ganze Stadtverwaltung. Man muss alle Bereiche, sehr breit denken. Aber auch was die Wertschöpfungsketten anlangt, da geht’s um Energiespeicher, da geht’s um CO2-Speicher und da geht es auch um die Vermeidung von C02.

Wichtig für die österreichische Wirtschaft ist eine intakte und leistbare Energieversorgung. Aber wir zahlen 3 bis 4mal soviel Energiekosten wie jemand in den USA oder in Ostasien. Klar wirkt sich das auf die Wettbewerbsfähigkeit und auf den Wirtschaftsstandort aus. Da müssen wir wieder aufholen.

Innovation macht den Unterschied!

50 % der weltweiten Forschungs- und Entwicklungsausgaben werden immer noch von den USA getätigt. Und das macht den Unterschied. Hier liegen auch die Chancen für die exportorientierten Betriebe in Kärnten! Es macht Sinn, im Umbau des Energiesystems tätig zu werden. Die weltweite Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen nimmt zu. Wir sehen wahnsinnig viele Fortschritte in der Technologie. Im Hinblick auf Regulatorien, wie z.B. C02arme Lieferketten wird das ein Vorteil für den Standort Europa sein.

Ich gebe ein Beispiel aus meinem Unternehmen. Wir haben eine Beteiligung an einem glasproduzierenden Unternehmen in Ostdeutschland. Das produziert Glas nur für Solarpanele. Wir sind der einzig verbleibende Glasproduzent in Europa. Weil aufgrund der Krisen alle andere aufgeben haben. Wenn wir uns nicht auf einen Standortvorteil konzentrieren, sind wir nicht konkurrenzfähig gegenüber indischen und malaysischen Herstellern. Das heißt, CO2arme Lieferketten würden einem Unternehmen wie diesen helfen. Die Klammer ist Innovation. Gerade im KMU-Bereich gibt es viele globale Champions. Das versucht man kleinzureden. Das sind die innovativen Betriebe, die in ihren Nischen zu Erfolg gekommen sind.

Wir können viel von Israel lernen

Das bringt mich zu einem Land, das mich sehr geprägt und beeindruckt hat. Das ist Israel. Es gilt gemeinhin als Startup-Nation. Warum ist das so? Sie haben einen sehr starken Fokus auf die Ausbildung gesetzt. Schon im Jugendalter liegt der Ausbildungsschwerpunkt im Bereich von Technik und Naturwissenschaft, das zieht sich dann durch bis zu den Universitäten. Die Regierung unterstützt Maßnahmen in Innovation mit Förderungen und Anreizen aller Art. Risikokapital ist vorhanden, was für jedes Startups und jeden Jungunternehmer ganz wesentlich ist. Die kriegen keinen Kredit von Banken. Es fehlt an Sicherheiten und Venture Capital. Hier ist die Szene in Österreich weit hinterher.

Was in Israel einzigartig ist, sind die Investitionen in die Sicherung des Landes. Und sehr viel Entwicklungen daraus werden dann in den zivilen Bereich übersetzt. Und die globale Vernetzung ist wichtig, genau wie für uns in Österreich. Ein Markt von 8 bis 9 Millionen Menschen ist nicht ausreichend für die Produktentwicklung und die Dienstleistungsentwicklung. Wir müssen in die Welt hinaus. Und das kann für ein kleines Land ganz wichtig sein, ganz gleich ob in Israel oder in Österreich.

Und zu guter Letzt die Unternehmenskultur in Israel. Das Mindset, immer wieder über den Tellerrand hinauszudenken, reaktiv zu sein. Ich habe dort drei Dinge gelernt, die ein innovatives Ökosystem ausmachen:

  1. Scheitern zu dürfen! Das wird einem leider in Österreich schon in Kindertagen abtrainiert. Aber genau da können wir viel lernen, von Nationen wie Israel oder auch USA,
  2. Das zweite ist „Chuzpe“. Autoritäten herauszufordern. Nicht immer klein beigeben und stillsitzen, sondern sich getrauen, den Mut zu haben, Dinge neu zu denken und auch mal anders zu machen.
  3. Und eine Sache, die ich hier oft vermisse, ist „unternehmerische Nächstenliebe“. Man tut etwas für jemanden, ohne etwas zurückzufordern. Und das schafft die schöne Community des Gemeinsamen.

Große Ideen und harte Arbeit, das macht den Unterschied. Das liegt vor allem an den Menschen dahinter. Mensch die vorangehen mit neuen Ideen, Mut und Risiko. Ich glaube, wenn wir hier dranbleiben und auch bereit sind adaptiv zu sein und auch die Dinge morgen mal anders zu machen, dann werden wir es schaffen, der Weltwirtschaft und ihrem Wandel ein Schnippchen zu schlagen.“

Eveline Steinberger, Blue Minds Company GmbH.
Eveline Steinberger führt ein Venture Capital- und Beratungsunternehmen im Bereich der globalen Energiewende und Digitalisierung. ©Blue Minds Company GmbH.
Mag. Dr. Eveline Steinberger,
die gebürtige Steirerin, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Blue Minds Company GmbH mit Firmensitzen in Wien und Tel Aviv. Ihr Fokus liegt auf Hightech-Trends wie Big Data, Artificial Intelligence und Blockchain.

Im Jahr 2014 gründete sie die The Blue Minds Company GmbH, ein Venture Capital- und Beratungsunternehmen im Bereich der globalen Energiewende und Digitalisierung. Seitdem hat sie erfolgreich in verschiedene Unternehmen investiert, darunter der deutsche Solarglashersteller Interfloat Corporation, die israelischen Softwareunternehmen Cylus Ltd. (Cybersicherheit im Schienenverkehr) und Foresight Energy Ltd. (Energie-SaaS), sowie in die österreichische Has to be GmbH, die führende Plattform für E-Mobilität in Europa, die 2021 an Chargepoint Inc. verkauft wurde. Davor war sie 20 Jahre lang in verschiedenen leitenden Positionen im Energie- und Infrastruktursektor tätig. Unter anderem leitete sie den Aufbau des Endkundengeschäfts der VERBUND AG und des (grünen) Energiegeschäfts der Siemens AG in Zentralosteuropa. Eveline Steinberger promovierte an der Karl-Franzens-Universität Graz in Wirtschaftswissenschaften und absolvierte erfolgreich ein Executive Management Studium am INSEAD, Frankreich.

M.U.T.letter

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