Die Landesverwaltung stellt ihre IT auf neue Füße. Kärntens Chief Digital Officer Christian Inzko und UBIT-Fachgruppenobmann Martin Zandonella geben im Doppelinterview Einblick in mögliche Synergien zwischen Land und IT-Wirtschaft. Erfahren Sie zudem, welche neuen Cluster entstehen und wie lokale Kleinunternehmen profitieren können.
Herr Inzko, das Land Kärnten arbeitet gerade an den Informationstechnologie-Leitlinien: Was sind die größten Digitalisierungsbaustellen des Landes Kärnten?
Inzko: Unser Big Picture ist, alle unsere Vorhaben auf einer sicheren Infrastruktur aufzubauen. Security und Rechenzentrum sind die Basis dafür. Erst danach folgt die Softwareentwicklung. Und am Ende des Weges setzen wir auf generative Künstliche Intelligenz (KI) und Internet of Things.
Der Hackerangriff auf das Land hat große Wellen geschlagen.
Inzko: Nach der Attacke ist vor der nächsten Attacke. Deshalb ist der Hackerangriff nicht nur Fluch, sondern auch Segen. In der Politik gibt es höchste Awareness. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und mehrere Sicherheitsschranken eingebaut. Übrigens wenden wir unter anderem auch das System eines Kärntner IT-Dienstleisters an.
Zandonella: Wichtig ist das Fundament, da bin ich bei Christian Inzko. Darauf aufbauend kommen moderne Verwaltungsabläufe. Ich mag aber das Wort Digitalisierung nicht, weil ja alles digital ist. Wir sprechen lieber von digitaler Transformation. Ziel dabei ist nicht, analoge Prozesse digital abzubilden, sondern eine echte Transformation abzuschließen. Dazu gehört, dass man sich Abläufe ansieht und überprüft, ob sie überhaupt so passen. Erst dann integriert man den optimierten Prozess.
Neue Prozesse müssen aber auch von den betroffenen Personen mitgetragen werden.
Zandonella: Genau! Das ist nicht nur eine technische Aufgabe, es kommen intensive Beratungsprozesse dazu.
Inzko: Klar, wir brauchen auch den Willen zur Veränderung. Die MitarbeiterInnen müssen damit auch umgehen können. Was aber vielen nicht bewusst ist: Innerhalb der nächsten fünf Jahre gehen fast 40 Prozent des Verwaltungspersonals in Pension. Es ist unmöglich, alle Stellen nachzubesetzen. Deshalb ist die digitale Transformation so wichtig.
Zandonella: Durch demografische Entwicklungen haben wir die Chance, Abläufe effizienter zu machen. Jetzt ist der Druck da – und zum Glück auch eine Antwort: nämlich die Technologie. Vor 30 Jahren hätten wir das nicht stemmen können. Für mich soll also die Nachbesetzung von 40 Prozent gar nicht als Ziel geführt werden.
Herr Inzko, welche Bereiche möchten Sie in Zukunft automatisieren?
Inzko: Unsere Vision ist, die Förderbereiche so einfach zu machen wie den privaten Steuerausgleich. In erster Linie handelt es sich bei uns um zwei Blöcke – einerseits die Förderungen und andererseits technische Daten wie Hydrografie- oder geografische Daten. Bei den Förderungen sind wir dabei, erste Förderprozesse vollständig zu automatisieren.
Zandonella: Es gibt aber noch immer konkrete Negativbeispiele – Stichwort Corona-Entschädigung. Andere Bundesländer haben viel simplere Abläufe. Unvorstellbar für mich, dass die Abwicklung in Kärnten aktuell manuell erfolgt!
Spüren Sie auch den Fachkräftemangel?
Inzko: Und wie! Im Land sind wir durch die starren Aufnahmeverfahren gezwungen, Dienstleistungen auszulagern. Wir können nur mit einer Kerntruppe arbeiten, den Rest müssen externe Dienstleister schaffen. Das ist eine Einladung an die Kärntner IT-Betriebe. Wir brauchen den Kontakt vor Ort!
Zandonella: Diese Einladung nehmen wir gern an! Was viele übersehen: Kärnten ist im Bundesländerranking bei der Anzahl der IT-Kräfte in Relation zur Gesamtanzahl der Arbeitskräfte hinter Wien auf Platz zwei.
In welcher Form wird das Land Kärnten die Kärntner IT-Betriebe in Anspruch nehmen?
Inzko: Ein konkretes Beispiel ist unsere KI-Strategie zur Prozessautomatisierung. Wir brauchen eine lokale, generative KI, weil unsere Daten hochvertraulich sind. Wir streben zwar Partnerschaften mit der UNI, mit dem Fraunhofer Institut und auch mit der FH an, trotzdem wünsche ich mir aber einen eigenen Cluster – beispielsweise im Rahmen des SIC. Forschungseinrichtungen haben wir, jetzt sollen die Unternehmen aus der Deckung kommen.
Zandonella: Wir haben dazu schon erste Schritte gesetzt und im Juni eine große KI-Infoveranstaltung in Velden abgehalten. Und auch die Studienreise soll nach Frankreich gehen, weil dieses Land Europas Nummer 1 für künstliche Intelligenz werden will. Wir haben aktuell schon eine ExpertsGroup im Bereich IT-Security. Und genauso können wir über den SIC kleine Unternehmen bzw. Start-ups mit dem Schwerpunkt KI bündeln. Wenn man das Ganze unter dem Schwerpunkt Forschung aufbaut, gibt es eine Win-win-Situation.
In der FG UBIT gibt es auch IT-Sicherheitsspezialisten: Werden diese einbezogen? Wenn ja, in welcher Form?
Inzko: Die Hauptbedrohung ist menschliches Versagen. Deswegen geben wir viel Geld für Awarenesstraining aus. Die KI wird uns in Zukunft die Sicherheit erschweren, weil Phishing kaum ersichtlich sein wird. Ich möchte KI-gestützt erfassen, was das normale Verhalten der Systeme in der Landesverwaltung ist. Bei Anomalien würden dann solche Systeme automatisch vom Netz getrennt werden.
Zandonella: In Kärnten gibt es gute Ansprechpersonen unter anderem für Audits. Und: Wir haben sehr kompetente Unternehmen, die sich auf die Transformation von Prozessen spezialisiert haben.
Ein Ziel ist, die Datenverarbeitung komplett elektronisch zu erfassen: Wie möchten Sie das erreichen?
Inzko: Erstes Thema ist die Migration des digitalen Akts über Fabasoft bis in die BHs. Bis 2025 soll es nur noch den elektronischen Akt flächendeckend geben. Zweites Thema ist die Kombination des digitalen Verwaltungsakts mit der elektronischen Zahlungsanweisung über SAP. Die Programmierung ist fertig, muss aber noch ausgerollt werden. Hier geht es aktuell also um neue interne Prozesse. Das Land Kärnten ist auf Schiene, es dauert aber, bis alle Abteilungen umgestellt sind.
Zum Abschluss: Wodurch zeichnen sich Kärntner IT-Unternehmen aus?
Inzko: Durch hohe Kompetenz in spezialisierten Bereichen und in Standardaufgaben der IT – Security und Serverstruktur. Und die Kärntner IT-Betriebe sind sehr flexibel.
Zandonella: Zusätzlich haben wir gute Unternehmen in der Softwareentwicklung. Diese sind nicht groß, dafür aber hochspezialisiert. Die Erfolge beim Constantinus zeigen, wie stark Kärnten in Sachen IT-Beratung und Software ist. Und da reden wir von konkreten Kundenprojekten.
Inzko: Der Constantinus ist ein tolles Stichwort: Ich habe diesen Preis ja schon als Unternehmer – also Auftragnehmer – erhalten. Ich will nun die andere Seite einnehmen und den Constantinus als Auftraggeber gemeinsam mit einem Kärntner IT-Dienstleister ergattern!
Zandonella: Das ist ein tolles Schlusswort und natürlich ein Ansporn für unsere IT-Betriebe!