Wer macht künftig die Arbeit?

Corona-Pandemie, Ukrainekrieg, Energiepreisexplosion, Inflationsschock, Rezession: Die Wirtschaft kommt – auch in Kärnten – aus dem Krisenmodus nicht heraus. Eine stille Bedrohung von Wirtschaft und Wohlstand ist angesichts der aktuellen Herausforderungen beinahe in den Hintergrund getreten: Der demografische Wandel, der die Bevölkerungspyramide auf den Kopf stellt und dafür sorgt, dass schon 2030 bis zu 35.000 Arbeitskräfte in Kärnten fehlen werden. Jetzt ist dem Kärntner Wirtschaftslobbyisten Jürgen Mandl ein Durchbruch gelungen.

Der Wirtschaft gehen nicht nur die Köpfe aus, sondern auch die Hände. Obwohl die konjunkturelle Lage seit einem Jahr angespannt ist, fehlen Arbeitskräfte an allen Ecken und Enden. 66 Mangelberufe standen 2022 auf der bundesweiten Liste, 2023 waren es schon 100. Das Thema ist nicht neu, die Wirtschaft kämpft seit Jahren darum, den Arbeitsmarkt attraktiver und durchlässiger zu machen – bis jetzt ohne durchschlagenden Erfolg. „Auf Kärnten entfallen aus den Drittstaatenkontingenten rund 300 Personen – das sind Peanuts, das wird sich bei über 2000 offenen Stellen allein im Sommertourismus nie ausgehen. Diese Entwicklung gefährdet ganz konkret unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, unsere politischen und gesellschaftlichen Systeme und unseren Lebensstandard“, kritisiert Kärntens oberster Lobbyist, Wirtschaftskammerpräsident und WB-Landesobmann Jürgen Mandl.

Schrecksekunde seit 2012

Das erste Rauschen zum Thema Bevölkerungsrückgang und -alterung ging bereits vor zwölf Jahren durch den Kärntner Blätterwald: Die Universität Klagenfurt erregte am 11. Dezember 2012 ordentlich Aufsehen mit der Veröffentlichung einer Studie des IHS Kärnten. Der Kärntner Arbeitsmarkt werde besonders vom demographischen Wandel betroffen sein, das hierzulande in besonderem Maße fehlende Bevölkerungswachstum und die Alterung der – ohnehin überdurchschnittlich alten – Gesellschaft würden einen Rückgang der potenziellen Erwerbsbevölkerung (15-64 Jahre) um rund 8 % bewirken: „43.000 Arbeitskräfte fehlen in Kärnten im Jahr 2030.“ Seit damals wurde viel geredet und wenig getan.

Gekämpft – erreicht: 5 Mio. Euro für die Wirtschaft

Im vergangenen Jahr legte dann die Kärntner Arbeiterkammer in einer viel beachteten Studie (IBW) nach: „Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren wird in den kommenden 17 Jahren (bis 2040) um rund 50.000 auf 310.000 sinken.“ In sozialpartnerschaftlichem Schulterschluss gelang es, das Thema in Bewegung zu bringen, umso mehr begrüßte nun Wirtschaftsvertreter Mandl die kürzlich beschlossene Professionalisierung des Arbeitskräfte-Incomings durch die Landesregierung mit einem Budget von vorerst fünf Millionen Euro: „Wir haben als Wirtschaftskammer Kärnten mit Blick auf den demografischen Wandel und dem Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung in Kärnten schon lange dezidiert eine eigene Arbeitskräfte-Incoming-Agentur für unser Bundesland gefordert und darum gekämpft. Die nun erfolgte Umsetzung ist ein wichtiger Schritt und ein attraktives Angebot für unsere Mitgliedsbetriebe. Wir müssen jede Möglichkeit nutzen, qualifizierte Personen für Kärnten zu begeistern, das hilft den Unternehmen ebenso wie dem ganzen Wirtschafts- und Lebensstandort.“

Wirtschaftslobbyist Jürgen Mandl gelingt Durchbruch mit Einführung eines innovativen Programms zur Arbeitskräfteanwerbung für Kärnten.
Thema mit Potenzial: Reges Medieninteresse an Kärntens Vorreiterrolle in der Bewältigung des Fachkräftemangels.

Regional verankert, international vernetzt

Für die Umsetzung des Pilotprojekts hat sich Kärnten einen starken Partner mit ins Boot geholt: Aus einem europaweiten Vergabeverfahren gingen die Trenkwalder Personalvermittlungs GmbH für die Arbeitskräfteakquise und das Carinthian International Center für die Integrationsleistungen als Bestbieter hervor. Trenkwalder-GF Mark Pollok: „Als einer der führenden Personaldienstleister in Europa, sind wir nicht nur international vernetzt, sondern auch regional verankert. Genau dieser Umstand macht es uns möglich, auf den hiesigen Fachkräftemangel zu reagieren. Unsere Stärke zeichnet sich – neben der geballten Recruiting-Kompetenz innerhalb und außerhalb der EU-Grenzen – auch vor allem dadurch aus, dass unsere Recruiting-Prozesse von der Bewerbung bis zum Onboarding digitalisiert sind. Wir freuen uns, als Recruiting-Partner im Rahmen dieser richtungsweisenden Initiative an Bord zu sein.“

Betreute Integration

Die neue Initiative soll nicht nur weltweit qualifizierte Arbeitskräfte nach Kärnten holen, sondern auch das „Onboarding“ – die Einführungs- und Einarbeitungsphase – und die weitere Integration betreuen. Denn Ziel ist es, dass die Arbeitskräfte nicht nur nach Kärnten kommen, sondern auch langfristig der Wirtschaft im Land zur Verfügung stehen. Im Rahmen der Arbeitskräftevermittlung wird der gesamte Bewerbungsprozesses, von den Vorbereitungen zur Erlangung der Rot-Weiß-Rot-Karte über die Begleitung bei Behörden- und Botschaftswegen bis hin zur Dienstvertragsunterzeichnung begleitet. Dabei sollen alle bereitstehenden Arbeitskräfte bereits über die für den Job gesetzlich erforderlichen Deutsch-Kenntnisse verfügen.

Arbeitskräfte mit „Rundum-sorglos-Paket“

Zusätzlich wird das Onboarding in Kärnten durchgeführt: Die Agentur wird einen eigens für den Kärntner Arbeitsmarkt zu befüllenden Arbeitskräfte-Pool aufbauen. Unternehmen haben dann über „Branchen-Calls“ die Gelegenheit, ihr konkretes Interesse über eine dafür eingerichtete Plattform bekannt zu geben. Die Zuteilung erfolgt durch einen den Expertenrat. Für jede – inklusive aller Papiere, Bewilligungen, Sprachzertifikate – vermittelte Arbeitskraft leistet der Betrieb einen Kostenbeitrag von 3.500 Euro. „Damit bekommen Kärntens Unternehmen ein Rundum-Sorglos-Paket“, betont Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig und fordert die Unternehmen auf: „Nutzen Sie dieses Angebot!“

Wirtschaftslobbyist Jürgen Mandl gelingt Durchbruch mit Einführung eines innovativen Programms zur Arbeitskräfteanwerbung für Kärnten.
LR Beate Prettner, WK-Präsident Jürgen Mandl, Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig, Trenkwalder-GF Mark Pollock.

Immer mehr Alte, immer weniger Pflegepersonal

Die Schwerpunktsetzung und Festlegung von Kontingenten wird durch halbjährige Branchen-Calls stattfinden, die durch einen Expertenrat der Sozialpartner und des AMS festgelegt werden. Die ersten Calls starten Anfang Juni in den Branchen Metallverarbeitung, Elektrotechnik und im Pflege- und Gesundheitsberuf, der heuer besonders im Fokus steht. Denn Kärnten verzeichnet seit mehr als fünf Jahrzehnten einen rückläufigen Geburtentrend: Sind in den 1960er-Jahren noch mehr als 10.000 Babys pro Jahr auf die Welt gekommen, so sind es jetzt nur noch 4.200. „Das führt dazu, dass sich die Alterspyramide auf den Kopf stellt: Die Älteren werden immer älter und immer mehr; der Nachwuchs wird immer weniger. Und das hat natürlich vor allem auf das Gesundheits- und Pflegewesen große Auswirkungen. Je älter der Mensch wird, desto krankheitsanfälliger und pflegebedürftiger wird er. Auf der anderen Seite wird der Nachwuchs für eine ausreichend große Anzahl an Pflegekräften immer weniger“, beschreibt Gesundheitsreferentin Beate Prettner die Problematik des zunehmenden Fachkräftemangels.

Mandls Appell: Potenziale ausschöpfen!

Die bevorstehenden Monate bezeichnete Mandl als Testphase, in der man wichtige Erfahrungen bei der Anwerbung von Arbeits- und Fachkräften im Ausland sammeln werde.

Mandl betonte dabei allerdings auch, wie wichtig es sei, sämtliche Potenziale im Land voll auszuschöpfen: „Es kann nicht sein, dass wir seit Jahren darüber sprechen, wertvolle Senioren länger im Berufsleben zu halten, indem das Dazuverdienen in der Pension steuerlich attraktiver wird. Es kann nicht sein, dass wir seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten darauf drängen, dass die Kinderbetreuung verbessert wird, damit mehr Frauen, die das wollen, in den Arbeitsprozess zurückkehren oder von Teil- auf Vollzeit aufstocken können. Und schon gar nicht kann es sein, dass in Dänemark drei Viertel der ukrainischen Flüchtlinge berufstätig sind und in Österreich nicht einmal ein Drittel – aber nicht, weil sie keine Lust haben, sondern weil sie die österreichische Migrationsbürokratie daran hindert!“

 

Info: Details und Kontakte auf der Website des Standortmarketings.

Fotos: WKK/KOM

M.U.T.letter

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