Zwei von drei Unternehmen in Österreich haben Schwierigkeiten, die entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Quer durch alle Branchen und Berufsgruppen fehlen Köpfe und Hände, um die anfallende Arbeit zu erledigen.
Gemeinsam mit Belgien liegt Österreich an der Spitze der Länder mit den meisten unbesetzten Stellen in Europa: 5,4 Prozent der Arbeitsplätze bleiben hierzulande verwaist. Am Schlimmsten ist der Mangel in der Baubranche, bei handwerklichen Berufen, bei Ärzten, Optikern, Pflegern, in der Gastronomie, bei metallverarbeitenden Berufen, im Maschinenbau und in der IT-Branche. Allein der Wirtschaftsstandort Kärnten verliert durch 800 unbesetzte IT-Stellen rund 140 Millionen Euro an Wertschöpfung – jährlich.
Und das Problem wächst mit der Bevölkerungsentwicklung: Im Jahr 2050 wird es 300.000 Menschen weniger im arbeitsfähigen Alter zwischen 20 und 65 Jahren geben als heute. In Kärnten werden es etwa 30.000 sein. Nicht ohne Grund heißt das aktuelle Buch von Sebastian Dettmers, CEO des renommierten Personalvermittlers Stepstone, „Die große Arbeiterlosigkeit“. Dabei geht es letztlich nicht nur um einzelne Unternehmen, sondern um die Frage, ob und wie wir den breiten Wohlstand in Österreich und unseren Sozialstaat erhalten.
In dieser Situation und bei diesen Aussichten halten es linke Kreise, allen voran SPÖ-Chef Babler, für gescheit, über eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden zu philosophieren – zum gleichen Lohn, versteht sich. Nun waren die wirtschaftspolitischen Konzepte dieser Ideologie immer schon ebenso kreativ wie destruktiv, aber wie realitätsfremd kann man sein? Zumal das nicht nur die Unternehmerinnen und Unternehmer für eine Schnapsidee erster Klasse halten, sondern auch die Beschäftigten: Denn eine weitere Reduktion der Arbeitszeit bringt das österreichische Sozialsystem in Gefahr. Das zumindest befürchtet laut einer aktuellen market-Studie der Großteil der heimischen Bevölkerung. 69 % erwarten eine Verschlechterung im Bereich der Altenbetreuung, 68 % bei den Krankenhäusern, 65 % bei den niedergelassenen Ärzten und 61 % befürchten Abstriche bei der ohnehin verbesserungsbedürftigen Kinderbetreuung.
Was lernen wir daraus: Der überwiegende Großteil der Österreicherinnen und Österreicher möchte mehr, nicht weniger! Mehr Sicherheit, mehr Gesundheitsversorgung, mehr Betreuung für Kinder und Senioren, mehr Netto vom Brutto. Laut market-Umfrage ist mehr als die Hälfte der knapp vier Millionen unselbständig Erwerbstätigen in Österreich bereit, mehr zu arbeiten. Dieser Anteil steigt sogar auf 80 Prozent, wenn sich mehr Einsatz durch Entlastungen auch mehr lohnen würde, zum Beispiel durch die steuerliche Begünstigung von Überstunden. Oder bei der Pension: Da würden viele Senioren mit ihrer lebenslangen Berufserfahrung gerne noch ein paar Jahre anhängen, zum Beispiel in Teilzeit, wenn es sich steuerlich mehr auszahlen würde.
Prognosen sind bekanntlich unsicher; besonders, wenn sie die Zukunft betreffen. Aber eines traue ich mich mit Gewissheit vorherzusagen: Zu glauben, man könnte schwierige Zeiten mit weniger Anstrengung bewältigen, wird privat, beruflich und auch für den Staat nicht gut ausgehen.
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