Erster EU-Zoll-Korridor ist auf Schiene

Der EU-weit einzigartige Zollkorridor zwischen Fürnitz und Triest lässt Alpen
und Adria näher zusammenrücken – zum Vorteil für Wirtschaft und Umwelt.

Hafen Triest, Mai 2022. Unablässig schleppen Spezialfahrzeuge schwere Sattelauflieger auf die Dardanelles Seaways, einen fast 200 Meter langen Roll-on-Roll-off-Frachter (Ro-Ro), der in Kürze mit Kurs Türkei auslaufen wird. Mehr als 250 Lkw-Anhänger auf vier Stockwerken werden es sein, wenn das Schiff seine 60-stündige Reise beginnt. Mehrere solche Ro-Ro‘s pendeln nach einem fixen Fahrplan zwischen Triest und der Türkei und bilden für Frächter und Güter eine attraktive Alternative zur langen Fahrt auf der Straße.

Erster EU-Zoll-Korridor ist auf Schiene
Der Hafen Triest auf einer Landkarte.

Koper und Triest als Tore zur Welt

Wirtschaftskammerpräsident Jürgen Mandl beobachtet mit einer vielköpfigen Delegation aus Kärnten gespannt das hektische, aber durchgeplante Treiben. Seit vielen Jahren nutzt Mandl seine Kontakte im Alpen-Adria-Wirtschaftskammernetzwerk, um das komplexe Projekt voranzutreiben. Für Österreich und auch für Kärnten sind der von Kaiser Karl VI. im Jahr 1719 gegründete und vor Kurzem 300 Jahre alt gewordene „Porto di Trieste“ und sein deutlich jüngerer Konkurrent und Partner „Luka Koper“, nur wenige Autominuten entfernt in Slowenien, die Tore zur Welt. Für beide spricht, dass die Strecke in die Obere Adria für Waren aus Asien um 4200 Kilometer und sechs Tage kürzer ist als der Weg über Gibraltar und den Ärmelkanal in den Norden nach Hamburg oder Rotterdam. Und selten ist Zeit so viel Geld wie beim Frachtverkehr.

„Österreich kann sich damit als Logistik- Drehscheibe und Angelpunkt für den Warenverkehr in ganz Europa positionieren.“ Magnus Brunner, Finanzminister

Milliarden Investierten: Chancen für Kärnten

Apropos Geld. Zwei Milliarden Euro will die Triestiner Hafenverwaltung mithilfe von Investoren in den kommenden Jahren in die Infrastruktur investieren, um für die neue Seidenstraße nach China gerüstet zu sein.
Mehr als 400 Züge im Monat verbinden den Hafen Triest schon jetzt mit den Industriegebieten in Nordostitalien und dem Hinterland in Zentraleuropa. Und hier tut sich die Chance für Kärnten auf, genauer: für den Verschiebebahnhof Fürnitz und das angrenzende Logistik Center Austria Süd (LCA Süd): Weil in Triest schlicht der Platz für einen weiteren Ausbau fehlt, verhandeln Wien, Kärnten, Rom und Triest seit  zehn Jahren miteinander, wie die Bahn- und Verladeinfrastruktur in Fürnitz als „Dry Port“ zur Verzollung und Verteilung der über Triest angelieferten Waren genutzt werden kann, zum beiderseitigen Vorteil für Wirtschaft und Umwelt.

„Italien erwartet sich mit diesem Zollkorridor durch die geographisch günstige Lage des Hubs in Villach ein Vorzeigeprojekt für die weitere verbesserte Einbindung der italienischen Häfen in den Binnenmarkt.“ Stefano Beltrame, Botschafter Italiens in Österreich

Pilotbetrieb aufgenommen

Wien, Dezember 2022. Zum offiziellen Festakt im Finanzministerium sind auch der italienische Botschafter in Österreich, Stefano Beltrame, und der Triestiner Hafenchef Zeno D’Agostino gekommen. Sie unterzeichnen mit Finanzminister Magnus Brunner in feierlichem Rahmen die Verträge zum ersten EU-weiten Zollkorridor, der Alpen und Adria näher zusammenrücken lässt.

Ein großer Moment, den sich auch Präsident Mandl als Unterstützer der ersten Stunde nicht entgehen ließ: „Dieser Meilenstein grenzüberschreitender Zusammenarbeit macht den Raum Villach zu einem wichtigen Warenumschlagzentrum für ganz Süd- und Mitteleuropa, durch die künftige Baltisch-Adriatische Achse sogar bis an die Ostsee. Mit der Eröffnung der Koralmbahn 2026 entsteht eine neue Lebensader für Kärnten, die einen neuen „Wirtschaftsraums Südösterreich“ gemeinsam mit der Steiermark schaffen wird.“

Korridor im Pilotbetrieb

Wichtige Ziele des Korridors sind einerseits die Beschleunigung der logistischen und zollrechtlichen Abwicklung sowohl in Italien als auch Österreich zum Ausbau der jeweiligen Wirtschaftsstandorte. Zusätzlich werden dadurch Transporte von der Straße auf die wesentlich klimafreundlichere Schiene verlagert. Der Pilotbetrieb mit den ersten Zügen ist mittlerweile angelaufen, der Regelbetrieb soll im Laufe des kommenden Jahres aufgenommen werden. Finanzminister Magnus Brunner: „Mit diesem Zollkorridor haben wir ein absolutes Vorbildprojekt im Logistik- und Zollbereich geschaffen, denn er ist EU-weit einzigartig. Durch ihn werden der Wirtschaftsstandort Österreich und unsere Position als Binnenland gestärkt. Die Güter, die über uns zolltechnisch abgewickelt werden, werden im nächsten Schritt nicht nur im Inland, sondern nach ganz Europa versendet.

„Ausdrücklich danken möchte ich unseren italienischen Freunden, mit deren Unterstützung wir dieses engagierte und europaweit vorbildhafte Projekt nach vielen Jahren der Gespräche und Vorbereitungen auch auf Ebene der Alpen-Adria-Wirtschaftskammern nun umsetzen können.“ Jürgen Mandl, WK-Präsident
Wie funktioniert der Zollkorridor? Die beteiligten Unternehmen (Hafen Triest/Monfalcone und ÖBB sowie die Betreiber der Verwahrlager Adriafer und ÖBB Rail Cargo Group bzw. des Logistik Center Austria Süd) entwickelten gemeinsam mit den Zollverwaltungen Italien und Österreich eine Zollkorridor-Lösung. In Zukunft wird es möglich sein, Waren aus Drittländern vom Containerschiff im Hafen Triest ohne Aufenthalt direkt auf dem Schienenweg nach Österreich bis zum Logistik-Hub Villach zu befördern und erst dort einem Zollverfahren zu unterziehen.
Die operative Abwicklung des Zollkorridors, die Zollabfertigungen und damit verbundenen Zollkontrollen werden durch das zuständige Kundenteam der Dienststelle Süd des ZAÖ sowohl am Standort Fürnitz als auch am Standort Villach wahrgenommen. Das Team vor Ort besteht aus 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, davon 9 am Standort Fürnitz. Die risikobasierte Kontrolltätigkeit vor Ort wird durch den Einsatz von Diensthunden, mobilen Röntgenfahrzeugen und anderen technischen Ausrüstungen unterstützt.

Vorzeigeprojekt und Alleinstellungsmerkmal

Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser war ein Unterstützer dieser richtungweisenden Zusammenarbeit: „Kärnten wird damit nicht nur noch enger mit seiner Partnerregion Friaul zusammenrücken. Wir schaffen damit einen weiteren international hell erstrahlenden Leuchtturm, der viele Arbeitsplätze, Betriebsansiedelungen bringen, neue Wirtschaftskooperationen ermöglichen und Wohlstand schaffen wird.“
Für Wirtschafts- und Logistiklandesrat Sebastian Schuschnig ist der Zollkorridor ein echter Gamechanger für den Wirtschaftsstandort Kärnten: „Es wird damit ein europäisches Vorzeigeprojekt in Kärnten umgesetzt, mit dem wir die Weichen stellen, um Kärnten im Herzen des Alpen- Adria-Raumes als EU-weite wirtschaftliche Drehscheibe zu positionieren. Kärnten liegt am Schnittpunkt von zwei europäischen Verkehrsachsen, mit der direkten und unbürokratischen Anbindung des Logistik Center Austria Süd in Villach/Fürnitz an den Hafen in Triest erhält der gesamte Wirtschaftsraum ein europaweit einzigartiges Alleinstellungsmerkmal.“

„Gemeinsam mit der Koralmbahn, einem weiteren Jahrhundertprojekt für den Standort, wird Kärnten für Unternehmensansiedelungen hoch attraktiv und erhält völlig neue wirtschaftliche Chancen, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Region zu schaffen. Zudem wird auch die Nachhaltigkeit gestärkt, indem künftig mehr Güterströme auf die Schiene verlagert werden.“ Sebastian Schuschnig, Wirtschaftslandesrat

Verkehrswende für den Klimaschutz

Eine wichtige Rolle bei der Abwicklung spielen die ÖBB mit ihrer Güterverkehrstochter Rail Cargo Group, die schon heute zu den führenden Logistikunternehmen am Hafen Triest zählt.
Bundesbahnen-CEO Andreas Matthä: „Ich freue mich, dass wir nun unsere Kooperation vertiefen und gemeinsam an einer innovativen und effizienten Lösung für die Wirtschaft Kärntens und für den Klimaschutz arbeiten. So können wir die Verkehrswende von der Straße auf die Schiene schaffen.“

Foto: Canva

M.U.T.letter

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