Krieg der (Arbeits-)Welten

Gleichberechtigung ist ein gefährliches Wort. Wo es nur um Rechte geht, bleiben die Pflichten oft auf der Strecke. Oder letztlich doch wieder an einem der beiden Partner hängen. Als die Welt noch in Ordnung war, wenn er einen „guten Posten“ hatte und sie sich um Haushalt und Kinder kümmerte, war der weibliche Verzicht auf berufliche  Selbstbestätigung und finanzielle Selbstständigkeit oft nur ein schmerzhaftes  Einzelschicksal. In Deutschland musste eine Berufstätigkeit der Frau bis 1977(!) vom Ehemann erlaubt werden. Bis 1958 konnte der Mann, wenn es ihm beliebte, den Arbeitsvertrag seiner Frau nach eigenem Ermessen und ohne ihre Zustimmung fristlos kündigen. Doch mittlerweile hat sich nicht nur die Gesellschaft dramatisch verändert, sondern der Wirtschaft gehen die Arbeitskräfte aus: Jedes (noch dazu sehr oft top ausgebildete) Heimchen am Herd fehlt im Produktionsprozess.

„Wir brauchen nicht nur Gleichberechtigung, sondern auch Gleichverpflichtung!“ Sylvia Gstättner, Direktorin Wirtschaftsbund

Sonst droht die Armutsfalle

„Nicht nur für die Wirtschaft wünsche ich mir mehr Frauen im Vollerwerb, für mich ist dies eine der Grundvoraussetzungen für gelebte Gleichberechtigung“, meint dazu WB-Direktorin Sylvia Gstättner. „Wir reden gerne von Gleichberechtigung, brauchen aber eine Gleichverpflichtung. Wenn ich die gleichen Voraussetzungen für beide Geschlechter in allen Lebensbereichen haben möchte, bedingt dies auch die Bereitschaft, Vergleichbares zu leisten“, erklärt Gstättner. Und es muss allen bewusst werden: Der in den allermeisten Fällen weibliche Rückzug auf unbezahlte Familienarbeit oder Teilzeitjobs führt Frauen schnurstracks in die Armutsfalle. Es ist die finanzielle Abhängigkeit vom Partner im Falle einer Trennung, später eine geringe Pension aufgrund weniger Versicherungsjahre und ein schmales Einkommen.

Ideologische Bruchlinie

Will man aber Familie und Beruf unter einen Hut bringen, führt am ideologischen Dauerbrenner Kinderbetreuung kein Weg vorbei. Sie sollte nicht nur in den Ballungszentren, sondern auch auf dem Land für alle auf kurzen Wegen erreichbar sein, personell in Qualität und Quantität gut aufgestellt, mit komfortablen Öffnungszeiten nicht nur an (mindestens sechs) Arbeitstagen in der Woche, sondern auch übers Jahr in den Ferienzeiten, denn so viel Urlaub hat niemand und willige Großeltern auch nicht jeder.
An dieser Stelle scheiden sich weltanschaulich die Geister. An kaum einer tektonischen Bruchlinie des politischen Diskurses kann man die ideologischen Unterschiede besser festmachen als hier. Und wie es dem heutigen „Mainstream“, der Geisteshaltung vieler Menschen entspricht, ist der erste, wenn nicht einzige Adressat für die Lösung des Betreuungsproblems: der Staat. Der muss es jetzt richten, und, um ein aktuelles politisches Mantra zu verwenden, koste es, was es wolle.

Die richtigen Rahmenbedingungen

Basis dafür ist eine funktionierende Kinderbetreuung. Sie ist ein Muss-Kriterium, vor allem mit Öffnungszeiten, die Berufstätigkeit zulassen, und geringen Schließungszeiten – es gibt nicht mehr als fünf Wochen Urlaub! Hier muss Geld in die Hand genommen werden, um unseren Kindern in Betreuung das bestmögliche Umfeld zu bieten. Das allein wird aber nicht reichen: Randzeiten und Wochenende sind nur schwer mit öffentlichen Einrichtungen abzudecken. Auch in Krankheitsfällen taucht schnell die Frage auf, wer nach den Kindern schaut, wenn der Besuch des Kindergartens oder der Tagesstätte nicht möglich ist.
Covid-19 hat auch dabei noch deutlich verschärft, was denn als krankes Kind gilt: Ein kleiner Husten, ein bisschen Schnupfen bedeutet heute schon krank. Gstättner: „Deshalb brauchen wir wieder das Dorf. Früher hat es geheißen, um ein Kind zu erziehen braucht man ein ganzes Dorf – dazu müssen wir zurückfinden und nennen es zeitgemäß Community: Was hindert uns, Nachbarn, Freunde, Freunde der Kinder etc. zu fragen, ob die Betreuungszeit zum Beispiel durch Spielnachmittage ausgeweitet werden kann? Niemand ist da draußen allein, das hat früher auch funktioniert – warum heute nicht?“

Ein großes Thema für Gstättner ist auch die Betreuung von über Zehnjährigen.
Gstättner: „Da geht es nicht nur um die Ferienzeit, wir brauchen auch flächendeckend verschränkten Unterricht, damit die Freizeit der Kinder tatsächlich wieder Familienzeit ist.“

Mehr Eigenverantwortung

Der Weg zur Gleichberechtigung ist also schwierig, und selbst mit den besten Rahmenbedingungen wird es ohne grundlegenden Wandel im Mindset in Österreich nicht gehen, mahnt Gstättner ein. Das zeigt auch eine aktuelle Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF):

  • Nur jede dritte Frau mit einem Kind unter drei Jahren ist berufstätig, weil die Mehrheit ihre Kinder selbst betreuen will, was auch ein Grund für die hohe Teilzeitquote ist
  • Kinder über drei Jahren sind zu 94 % in institutioneller Betreuung, bei den Jüngeren sind es aber nur 29 % (2021/22). Dieser Wert soll zumindest auf 33 % steigen (was schon für 2010 geplant war) • 79 % der Befragten bleiben daheim, weil sie ihre Kinder selber betreuen wollen, 4 % ist das Angebot zu teuer, 3 % haben kein passendes Angebot
  • Mütter von unter Zweijährigen kritisieren mangelnde Verfügbarkeit (14 %) und zu hohe Kosten (4,5 %), 62 % wollen selber betreuen
  • Die Gründe sind vielfältig: Zum einen herrscht immer noch ein traditionelles Familienbild vor, zum anderen wirken dauergestresste berufstätige Mütter abschreckend, und generell wird das Thema Work-Life-Balance immer wichtiger
„Die Qualität des Angebotes wird durch die Neuregelung nicht steigen!“ Astrid Legner, Vizepräsidentin Wirtschaftskammer Kärnten, Vorsitzende von „Frau in der Wirtschaft“

Kommt jetzt der Kahlschlag?

Damit wird es aber nach den Plänen der SPÖ in der Landesregierung nichts werden. Im Gegenteil: Die vorgesehenen starken Einschränkungen bei der Einhebung von Elternbeiträgen nehmen den privaten Kindergartenträgern den pädagogischen und wirtschaftlichen Handlungsspielraum fast gänzlich. Astrid Legner, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer und Vorsitzende von „Frau in der Wirtschaft: „Insgesamt wird es dazu führen, dass jede Einrichtung nur das Mindestmaß an pädagogischen Angeboten anbieten wird. Insgesamt ist zu erwarten, dass die Qualität des Angebotes durch das neue Gesetz nicht steigen wird.“

„Employer Branding“

Krieg der (Arbeits-)Welten
Employer Branding

Dabei ist die Familienfreundlichkeit einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um das „Employer Branding“ geht, also um die Präsentation des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber. Vereinbarkeitsexpertin Katharina Hofer-Schillen plädiert für mehr Selbstbewusstsein bei den Betrieben im Kampf der Arbeitswelten: „Viele Menschen schätzen auch heute eine sinnerfüllte Aufgabe. Bleiben Sie als Arbeitgeber authentisch.“

 

Gleichverpflichtung – auch im Betrieb

Auch im beruflichen Umfeld zählt für Gstättner neben Gleichberechtigung auch die Gleichverpflichtung: „Wir haben für Familien ein umfangreiches Gesetzespaket, das Familien schützt und unterstützt vom Mutterschutz über diverse Karenzmöglichkeiten und – vor allem in größeren Betrieben – strenge Vorgaben und besonderen Schutz. Meine Bitte ist es, diese Möglichkeiten nicht einseitig auszureizen. Auch der Arbeitgeber hat Verständnis verdient: Eine Familiengründung ist oft auch für den Betrieb ein Einschnitt, der Planungsunsicherheit auslöst. In den meisten Fällen wird damit aber gut umgegangen. Ich empfehle, Kontakt zum Arbeitgeber zu halten und einen groben Plan zu haben, wie lang man daheimbleiben will und wie der Wiedereinstieg aussehen könnte: Welche Arbeitstage und -zeiten sind sinnvoll? Darauf könne sich dann alle Beteiligten einstellen.“

Foto: MUT

M.U.T.letter

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