Was wir von Fuckpreneuren und US-Unternehmen lernen können

„Warum brauchen wir in Österreich eigentlich die Fuckup Nights?“, fragte die M.U.T. Redaktion. Dejan Stojanovic, der diese unkonventionellen Events im ganzen Land veranstaltet, hat dazu eine klare Meinung. Er glaubt fest daran, dass das Thema Fehlerkultur in Österreich noch in den Kinderschuhen steckt und viel ungenutztes Potenzial birgt. Doch was genau sieht er hinter dieser Veranstaltungsreihe und warum sollten wir uns alle damit auseinandersetzen?

Bei den Fuckup Nights darf man mit den eigenen unternehmerischen Fehlern angeben. Die Helden sind also jene, die auf die Nase gefallen sind. Haus und Hof sind weg, Gläubiger fallen um ihren Einsatz um und da soll man sich noch trauen, außer Haus zu gehen? Dejan Stojanovic sagt ja.

Bereits seit 2014 finden Fuckup Nights in Österreich statt. Die Idee selbst wurde 2012 in Mexiko geboren. Sich unternehmerische Fehler einzugestehen, offen darüber zu reden, sei essentiell für Innovationsfreude und letztlich der Schlüssel zu Erfolg, so Stojanovic.

Und tatsächlich – es tut sich was. Das Publikumsinteresse ist mittlerweile auch in Kärnten entsprechend groß. Gründer- und UnternehmerInnen in großer Zahl lauschten den Erfahrungsberichten der Gescheiterten Entrepreneure.

Dejan Stojanovic

Er ist Serial Entrepreneur, arbeitet als Berater, Speaker, Host und Autor und bezeichnet sich selber als „Failure Enthusiast“ und Unternehmer mit Leidenschaft. Seine Erfahrungen von zahlreichen Fuckup Nights in Österreich mit knapp 300 Geschichten des Scheiterns sind ein großer Erfahrungsschatz den er zu vermitteln versucht.

fuckupnights.at

Bekenntnis zum Scheitern

„Über Erfolg sprechen wir gerne, aber nicht über die Misserfolge“, sagt Stojanovic. Sich Fehler einzugestehen, offen darüber zu reden und damit ein Bekenntnis zum Scheitern zu geben, sei für viele Gründer immer noch undenkbar.

Über Fehler sprechen, damit sie ein anderer nicht macht.
Scheitern als Chance besser zu werden.

„Die Fehlerkultur ist bei uns immer noch in großes Thema“, betont Dejan Stankovic. Während in den USA Pleiten, Pech und Pannen als Lernchancen gesehen werden, sind es speziell in Österreich Makel. Neuerlich mit einer Idee selbstständig machen, sollte man sich da also besser gar nicht mehr.

Ziel der Fuckup Night ist es auch, Mut zu machen und eine kulturelle Veränderung anzustoßen: „Den größten Hebel hat die Masse“, ist Stojanovic überzeugt und am Besten geht dies wenn man öffentlich über die eigenen Fehler spricht. „Wenn einem das eigene Umfeld abrät eine Geschäftsidee zu probieren, dann wird man es also auch eher nicht umsetzen“, betont er. Deshalb muss die Stimmung im Land in Richtung einer positiven Fehlerkultur gedreht werden.

„Failure sucks but instructs“

„Wir verstecken Fehler immer noch“, so Stojanovic. Der Umgang mit Misserfolg unterscheidet Europäer und Amerikaner grundsätzlich. In Europa suche man nach dem Scheitern nach emotionaler Erholung. In den USA schaue man dagegen viel mehr darauf, wie man seine eigenen unternehmerischen Fähigkeiten stärken könnte.

Fuckup bedeutet auf gut Deutsch soviel wie „Missgeschick“ oder „Fehler“. Begonnen hat es 2012 in Mexiko. Fünf Startup-Unternehmer erzählten sich, woran es bei ihnen gescheitert ist, merkten schnell, wie lehrreich die Erfahrungen der anderen sind und machen daraus die erste Fuckup Night. Heute finden Fuckup Nights in über 80 Ländern statt.

Der erste Fuckpreneur des Abends, Markus Hassler, erzählte, wie er gemeinsam mit seinen KollegInnen am Markt vorbeientwickelt hat. „Wir hatten eine tolle Lösung und alle beklatschten unseren innovativen Ansatz.“ Das Projekt sollte Daten sammeln und interpretieren. Gedacht war es für die Marktanalyse in Banken. Ein Vorgriff auf heutige KI-Lösungen – nur einige Jahre früher. Businesspläne wurden geschrieben, das nötige Kapital für die Gründung aufgestellt. Fehlendes Wissen über die Branche kaufte man sich ein und entwickelte und entwickelte aber keiner wollte das Produkt letztlich kaufen.

Markus Hassler erzählt von seinen Erfahrungen.
Markus Hassler lernte aus den Fehlern im ersten Unternehmen.

Die Learnings:

  • Realitätscheck machen, ob die eigene Lösung außen auch als Problem gesehen wird
  • branchenübergreifend denken
  • eine brillante technische Lösung ist zu wenig – es braucht auch ein Problem
  • es ist ein Nachteil, wenn man branchenfremd ist

„Am meisten geholfen hätte ein ehrliches Feedback wie etwa: Das Produkt ist für uns nicht brauchbar, wir werden es nicht kaufen“. Stattdessen lies man die junge Truppe tausende Stunden weiterentwickeln, bis das Start-up-Kapital aufgebraucht war. Es folgten schmerzhafte Entlassungen und letztlich der Konkurs. Hassler hat es aber im zweiten Anlauf sehr wohl geschafft, ein erfolgreicher Unternehmer und Berater zu werden.

„Fall in love with the problem – not the solution.“ Markus Hassler

Großes Publikumsinteresse bei der Fuckup Night Vol. 4 im Makerspace.
Auf unterhaltsame Art von den Fehlern anderer zu lernen, das ist Teil der Fuckup Nights.

Wie man mit einem Projekt scheitern kann, obwohl man alles richtig gemacht hat, davon berichtete Vera Led. Sie hatte ein großes Softwareprojekt für eine heimische Großbank zu verantworten. Entwicklung einer Software für zwei Länder und dann die Ausrollung in vier weitere Ländern. Ein Mammutprojekt, das aber schaffbar wäre, war sich Led sicher und das Unternehmen auf Jahre gut ausgelastet und sie der Star im Unternehmen: „Ich führte die Preisverhandlungen mit dem Vorstand und hatte alles im Griff“. Technisch schien die Umsetzung auch kein Problem, auch die Anpassung in rechtlicher Hinsicht für die Länder waren beherrschbar.

„Never loose – either win or learn.“ Vera Led

Doch es folgten Widerstände in den Länderorganisationen und zur kompletten Ausrollung kam es gar nicht mehr. So blieb man auf Kosten sitzen und statt Vollauslastung hatte das Unternehmen plötzlich freie Kapazitäten. „Wir hatten Glück, dass unsere Bestandskunden noch offene Projekte hatten und wir damit nahtlos weitermachen konnten“, erzählt Led.

Gelernt hat sie daraus:

  • Bestandskunden darf man nicht vernachlässigen
  • wer hoch schaukelt muss auch die Talfahrt aushalten
  • dein Ego ist nicht dein Amigo
  • mögliche Widerstände im Unternehmen des Kunden nicht unterschätzen

 

Mehr zum Thema: In „Nachher-ist-man-immer-schlauer“ erzählt Helmut „Mr. Heyn“ Zechner warum die 5-Tage Woche in seiner Buchhandlung gescheitert ist.

Fotos: Just, Fuckup Nights

M.U.T.letter

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