3 Fragen an Sylvia Gstättner

3 Fragen an: Sylvia Gstättner, Direktorin des Wirtschaftsbundes Kärnten, Mutter von zwei erwachsenen Kindern

Frau Gstättner, Sie stellen der Gleichberechtigung die Gleichverpflichtung zur Seite. Wie soll die aussehen?

Gleichberechtigung ist eine Forderung auf allen Ebenen. Es braucht mehr Frauen unter Führungskräften oder in der Politik und umgekehrt mehr Männer in sozialen Berufen.
Das ist aber nicht per Gesetz oder Quote durchführbar, sondern setzt eine bewusste Entscheidung voraus: Wie viel will und kann ich arbeiten?
Nur wenn man als Frau in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft sichtbar ist, kommt man voran! Und dazu braucht man auf lange Sicht mehr als 20 Wochenstunden.
Manche Positionen sind als Teilzeitkraft einfach nicht möglich – hier muss familienintern geklärt werden, wie auch die Pflichten aufgeteilt werden.
Übernimmt der Mann den dann fehlenden Teil der Familienarbeit? Kann sich das die restliche Familie aufteilen? Oder baue ich mir meine eigene „Community“ im privaten Umfeld auf? Nochmals: Familie ist eine bewusste Entscheidung und man muss sich bewusst sein, dass sich absolut und unwiderruflich alles ändert.
Nicht nur für Frauen – auch für Männer.

Es scheint an oder mit Corona gesellschaftsfähig geworden zu sein, für alles und jedes den Staat zu Hilfe zu rufen. Vermissen Sie die Privatinitiative?

Ein Stück weit ja. Selbstverständlich brauchen wir die bestmöglichen Rahmbedingungen in Form einer hochwertigen, leistbaren Kinderbetreuung mit Krippen, Kindergärten, auch einem Angebot für über Zehnjährige, im ländlichen Raum besonders.
Aber ich vermisse in der aktuellen Diskussion die Selbstinitiative: In erster Linie ist Familie Privatsache, also sollte man sich bemühen, mit anderen Familienmitgliedern, Freunden, anderen Eltern funktionierende Lösungen zu finden. Ist das stressig? Ja, aber das hat auch mit Resilienz zu tun: Niemand hat gesagt, dass Kinder, Familie und Beruf einfach unter einen Hut zu bringen sind.

3 Fragen an: Sylvia Gstättner
Fröhliche Familie im Comic Stil

Der frühere SPÖ-Parteivorsitzende Gusenbauer hat vor über 20 Jahren von der „solidarischen Hochleistungsgesellschaft“ gesprochen. Damals ist er von der eigenen Partei abmontiert worden. Wäre das heute ein passendes Schlagwort?

Damit kann ich mich anfreunden. Der Begriff „Work-Life-Balance“ führt uns in die Irre und verfestigt ein falsches Bild in der Gesellschaft: Es gibt keine Abgrenzung zwischen Arbeit und Leben, nur eine zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Arbeit – ob als Erwerbs-, Familien- oder gemeinnützige Arbeit – ist Teil eines erfüllten Lebens, und wenn man es aus dieser Perspektive betrachtet, erübrigt sich die heute so populäre Sinnsuche oft ganz von allein.

Fotos: Wirtschaftsbund Kärnten

M.U.T.letter

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