Seit mittlerweile Jahrzehnten ist der Logistikstandort Kärnten ein fester Bestandteil politischer Sonntagsreden. Doch während das Cargocenter Graz (CCG), eröffnet 2003, blüht und gedeiht, fristet das LCA Süd – mit oder ohne Zollkorridor – bis heute ein stiefmütterliches Dasein. Jetzt meldet sich WK-Präsident Mandl mit einem Weckruf zu Wort: „Ich fordere mehr Tempo, sonst fährt diese Jahrhundertchance um Kärnten herum – oder einfach durch.“
Im besten Alter von 20 Jahren steht das steirische CCG prächtig da: Die Terminalanlage verfügt über vier kranbare Gleise, ein Mattengleis, zwei Portalkräne, Containerlagerflächen und weitere Betriebsflächen und -gleisanlagen. Der Terminal ist damit heute ein wirtschaftlicher Impulsgeber für die Region mit ca. 2000 Mitarbeitern in den am Standort angesiedelten Unternehmen. 2022 zündeten das Land Steiermark und das CCG den Turbo, übernahmen die ursprüngliche ÖBB-Tochtergesellschaft und verabschiedeten ein Investitionsprogramm von 100 Mio. Euro für die Anschaffung eines 3. Portalkrans sowie die Errichtung von vier zusätzlichen Terminalgleisen mit zwei dazugehörigen Portalkränen und weiteren Containerlager- und Betriebsflächen. „Durch diesen Ausbau der Terminalinfrastruktur etabliert sich das Cargo Center Graz zum leistungsfähigsten Standort für kombinierten Verkehr in Österreich“, jubelte der Pressetext.
„Zügen beim Durchfahren zuschauen“
Derweil wachsen in Fürnitz die Gänseblümchen zwischen rostigen Gleisen. Doch damit soll jetzt endgültig Schluss sein: WK-Präsident Jürgen Mandl sendete am Mittwoch einen lauten Weckruf in Richtung ÖBB und anderer Entscheidungsträger. Immerhin war es Mandl persönlich, der im Februar in enger Abstimmung mit der EU-Abgeordneten und nunmehrigen Tiroler WK-Präsidentin Barbara Thaler die Aufnahme von Villach-Fürnitz in das Kernnetz des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) durchgesetzt hat. Die vor vier Monaten mit medialem Tamtam unterzeichnete Grundsatzvereinbarung zwischen Land und ÖBB über „bedarfsorientierte“ Investitionen von 70 Mio. Euro bis 2029 ist für Mandl bei weitem zu spät: „So kann das nicht weitergehen. Wenn wir unsere Pläne jetzt nicht rasch infrastrukturell auf die Schiene bringen, können wir künftig den Zügen beim Durchfahren zuschauen.“
Verpasst Kärnten die Logistikchance?
Schon vor Jahrtausenden entstanden Ansiedlungen an frühen Straßenkreuzungen, Fluss- oder Alpenübergängen. Auch damals waren Verkehrsachsen zugleich Wohlstandachsen, wovon die Handelsmetropole und spätere „Eisenbahnerstadt“ Villach eine Geschichte erzählen kann. Doch jetzt droht Kärnten den Zug der Zeit zu verpassen. Dabei sind die Rahmenbedingungen hervorragend, wie eine aktuelle Studie im Auftrag der Wirtschaftskammer und des Wirtschaftslandesrates Sebastian Schuschnig ergibt: „Kärnten würde mit seiner einzigartigen geografischen Lage von Investitionen in Logistikzentren überproportional profitieren“, bestätigt Studienautor Christoph Schneider vom Wirtschaftsforschungsinstitut Economica.
Waren, Wachstum, Wohlstand
Mit der Eröffnung der Koralmbahn Ende 2025 liegt Kärnten am Schnittpunkt zweier wichtiger EU-Güterschienenkorridore (von elf insgesamt): der Baltisch-Adriatischen Achse von der Ostsee zu den Adriahäfen und dem Westbalkan-Korridor, der über die Alpen bis nach Bulgarien führt. Auch wenn die Konjunktur derzeit schwächelt, prognostiziert Schneider ein Wachstum des innereuropäischen Güterverkehrs von 40 Prozent bis 2030. Das Terminal in Fürnitz und die Etablierung des Standortes in Kühnsdorf haben aufgrund ihres Einzugsgebiets und des langfristigen Wachstumstrends laut Economica erhebliches Ausbaupotenzial. Die Nähe zu den Seehäfen Koper, Triest und Venedig bietet unabsehbare Entwicklungsmöglichkeiten, auch hinsichtlich der Gas- und künftigen Wasserstoffversorgung Österreichs und Osteuropas von Süden. „Kärnten hat die Chance, zur Warendrehscheibe im Alpen-Adria-Raum zu werden – hier geht es um nicht weniger als die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes, der heute schon sechs bis sieben von zehn Euro im Export verdient“, mahnt Landesrat Schuschnig.
Regionale Wertschöpfungsmotoren
Die Economica-Studie zeigt, dass Gemeinden im Umkreis von rund 20 Kilometern von Güterterminals besonders profitieren. Die Bevölkerung wächst stärker und es entstehen mehr neue Arbeitsplätze. Dadurch sinkt die Arbeitslosigkeit und auch die Gemeindefinanzen entwickeln sich durch höhere Pro-Kopf-Einnahmen deutlich besser. Die Wertschöpfungs- und Arbeitsmarkteffekte sind damit hoch. „Jeder Euro, der in Bahnlogistikzentren investiert wird, bringt der Wirtschaft das Doppelte. Auch die Zahl der Arbeitsplätze in den Regionen rund um die Logistikzentren verdoppelt sich. Davon profitieren nicht nur die umliegenden Gebiete, sondern das ganze Bundesland. Kärnten weist im Vergleich mit anderen Bundesländern eine geringere Wirtschaftsleistung auf und kann daher von Investitionen in Bahnlogistikzentren überproportional profitieren“, analysiert Schneider. Daraus würden sich vor allem eine höhere Standortattraktivität für die Industrie, aber auch positive Umwelteffekte durch geringere CO2-Emissionen beim Transport ergeben.
„Ernsthaftigkeit“ eingefordert
„Aber das muss jetzt passieren!“, verlangt Wirtschaftsbund-Obmann und Präsident Mandl: „Der Wettbewerb schläft nicht. Das gilt nicht nur für das Logistikzentrum Fürnitz, sondern auch für den Ausbau der Eisenbahn über Jesenice nach Koper. Immerhin gehen fast 40 Prozent der österreichischen Gesamtexporte über den Hafen Koper in die Welt. Ich verlange die notwendige Ernsthaftigkeit der ÖBB, aber auch von Bund und Land, um diese Chancen langfristig zu nutzen. Sonst bleiben wir ein weißer Fleck und können zuschauen, wie die Waren- und Wohlstandsströme um Kärnten herumfahren!“