Vom Einzelkämpfer zum Chef: So gelingt Wachstum

Das Geschäft läuft gut, die Kunden werden mehr, man kommt kaum mit der Arbeit nach. Wann ist es für EPUs an der Zeit, den ersten Mitarbeiter einzustellen? Und wie finde ich in die Rolle des Chefs hinein? Unternehmer Marc Gfrerer und Delphine und Michael Rotheneder sprachen mit uns über ihre Erfahrungen, Wachstumsschmerzen und Lektionen, die sie gelernt haben.

Es gibt diesen Moment, der jedes Ein-Personen-Unternehmen verändert – der Moment, in dem man den ersten Mitarbeiter einstellt. Für Delphine Rotheneder war dieser Zeitpunkt recht bald erreicht. Sie hatte jahrelang in einer Social Media Agentur gearbeitet, als sie sich 2019 entschied, mit ihrer eigenen Agentur Rothi Media als EPU in die Selbstständigkeit zu gehen. Das Geschäft lief auf Anhieb gut. Die Kunden kamen wie von selbst. Schon im ersten Jahr wurde ihr immer klarer, dass sie mehr Aufträge bekam, als sie bewältigen konnte.

Delphine und Michael Rotheneder von Rothi Media, Foto: rothi.media/DIAURRA
Delphine und Michael Rotheneder von Rothi Media, Foto: rothi.media/DIAURRA

„Ich habe keine Grenzen mehr gesetzt, es gab keinen Unterschied mehr zwischen Arbeit und Freizeit“, erinnert sie sich heute. Ein Augenöffner war ein gemeinsamer Urlaub mit ihrer Familie: Während der Mann und die Tochter am Pool spielten, verbrachte sie jeden Tag mehrere Stunden im Hotelzimmer und arbeitete. „Irgendwann dachte ich mir: Dafür habe ich mich nicht selbstständig gemacht.“

Zeit für Wachstum

Um den vielen Aufträgen nachzukommen half zuerst ihr Mann Michael, der zu dieser Zeit bei einer IT-Firma im Bereich Sportstatistiken beschäftigt war, mit. Dann kam die erste Mitarbeiterin. „Wir hatten den Punkt erreicht, wo wir wussten: Entweder wir vergrößern oder wir müssen anfangen Kunden abzulehnen, weil wir einfach keine freien Kapazitäten mehr hatten“, erinnert sich Michael Rotheneder. „Das wollten wir nicht.“

Heute hat Rothi Media zehn Mitarbeiter und wächst weiter. Ihre erste Angestellte, Emma, haben sie über ihre Arbeit im Sekretariat eines Golfplatzes kennengelernt. „Ich habe gesehen, wie sie mit Stress umgeht und wie sie als Mensch tickt“, erzählt Michael. „Wir wussten, dass wir mit ihr gerne zusammenarbeiten würden.“

Vom Mentor zum Chef

Die Zusammenarbeit in dieser Wachstumsphase war intensiv. „Wir haben alles gemeinsam gemacht“, erinnern sich Delphine und Michael. Doch der enge Kontakt brachte auch eine Hürde mit sich: „Die Trennung zwischen Freundschaft und beruflicher Beziehung war manchmal schwierig“, gibt Michael zu. Für die Rotheneders war klar, dass sie lernen mussten, das Persönliche vom Beruflichen zu trennen.

Was mit dem wachsenden Team ebenfalls immer klarer wurde: „Du musst lernen, Verantwortung abzugeben, um als Unternehmen weiterzukommen“. Heute, mit zehn Angestellten, hat sich die Rolle für beide verändert. Der Fokus liegt nun auf Teamführung und langfristiger Unternehmensentwicklung. „Das Teambuilding passiert jetzt eher unter den Kolleginnen und Kollegen. Da stehst du als Chef etwas außerhalb“, sagt Michael.

Doch auch in der Partnerschaft musste das Unternehmerpaar lernen, klare Grenzen zu setzen. „Wir haben zwei WhatsApp-Gruppen – eine auf dem Arbeitshandy, eine auf dem privaten“, erklärt Delphine. „Wenn ich unsere Tochter vom Kindergarten abhole, weiß Michael, dass ich nicht mehr für die Arbeit erreichbar bin.“ Diese klare Trennung war für das Paar ein lebenswichtiger Schritt, um gesund und produktiv zu bleiben.

Marc Gfrerer: Erfahrung aus 25 Jahren

Schon viel länger befasst sich Marc Gfrerer mit dem Thema Mitarbeiterführung. Der Unternehmer ist seit 25 Jahren im IT-Bereich aktiv und hat während seiner Laufbahn über 200 Angestellte beschäftigt. Heute führt er zwei Unternehmen mit insgesamt 15 bis 20 Mitarbeitern, doch der allererste war auch für ihn etwas Besonderes: „Du bist plötzlich verantwortlich für einen anderen Menschen. Es ist eine ganz neue Rolle“, erinnert sich Gfrerer.

Marc Gfrerer, IT-Unternehmer aus Villach. Foto: LOGMEDIA GmbH
Marc Gfrerer, IT-Unternehmer aus Villach. Foto: LOGMEDIA GmbH

Die größten Stolpersteine beim Thema Führung hat er schon früh kennengelernt: „Ich habe meine erste Firma mit einem Partner gemeinsam gegründet. Schon nach einem Jahr haben wir unseren ersten Mitarbeiter eingestellt. Worauf wir nicht geachtet haben, war der große Altersunterschied: Wir waren Mitte zwanzig, er war viel älter und erfahrener. Da ist es schwierig, jemandem zu sagen, wie er arbeiten soll.“

Beratung holen

„Vieles war am Anfang Learning by Doing“, sagt er heute. „Ich habe mich gleich nach meiner Ausbildung selbstständig gemacht, ohne vorher in einer Firma gearbeitet zu haben. Das ist nicht unbedingt ideal.“ In einer Zeit, in der Business-Podcasts und Online-Coachings noch nicht existierten, blieb Gfrerer weitgehend auf sich allein gestellt. Heute rät er jedem Unternehmer, Beratung und Coaching in Anspruch zu nehmen. „Ich würde es niemandem empfehlen, alles ohne Unterstützung zu machen.“

Auch finanziell ist der erste Angestellte für viele Unternehmer ein Kraftakt. „Der erste Mitarbeiter verursacht doppelt so viele Kosten“, weiß Gfrerer aus eigener Erfahrung. „Du musst genug Gewinn machen, damit es für zwei reicht. Anfangs kann das bedeuten, dass du auf eigenen Komfort und Geld verzichten musst, um zu wachsen. Der eigene Egoismus sollte weichen. Das kann natürlich schwierig sein, wenn man auch die eigene Familie zu erhalten hat.“

Erwartungen zügeln

Eine der größten Lektionen für ihn war, die Erwartungen an seine Mitarbeiter zu mäßigen. „Ich habe das bei anderen EPUs gesehen, die oft die gleiche Erwartungshaltung an ihre Angestellten hatten, wie an sich selbst. Das geht natürlich schief, weil diese eine ganz andere Identifikation mit der Firma haben“, erklärt er. Für Gfrerer die wichtigste Erkenntnis: „Der Mitarbeiter lebt nicht deinen Traum. Er tauscht seine Zeit für Geld.“

Trotz all der Herausforderungen gibt es Momente, die Gfrerer heute besonders schätzt: „Es fühlt sich großartig an, im Sommer drei Wochen Urlaub zu machen und keine Anrufe vom Büro zu bekommen. Ein Unternehmen ist dann gut geführt, wenn es auch ohne dich funktioniert.“ Ein weiterer Moment, der ihn mit Stolz erfüllt: „Wenn Mitarbeiter selbstständig Ideen entwickeln und diese pitchen. Das ist ein Zeichen, dass sie sich mit dem Unternehmen identifizieren – das macht mich stolz.“

Vom Einzelkämpfer zum Chef: 7 Dinge, die du wissen solltest

1. Freundschaft und Job? Vorsicht!
Enge Zusammenarbeit verbindet, aber Privates und Berufliches gehören getrennt – sonst wird es kompliziert.

2. Verantwortung abgeben – jetzt oder nie!
Wer alles selbst machen will, steht sich irgendwann selbst im Weg.

3. Chefsein heißt Abstand halten
Je größer das Team, desto mehr musst du vertrauen und loslassen. Gute Chefs führen – und lassen ihr Team arbeiten.

4. Klare Grenzen, auch zu Hause
Wer als Paar arbeitet lernt schnell: Ohne feste Trennung zwischen Arbeit und Privatleben leidet irgendwann beides.

5. Achtung, Altersfalle!
Ein großer Altersunterschied zum ersten Mitarbeiter erschwert die Führung. Augenhöhe ist entscheidend.

6. Hol dir Expertenrat!
Ohne externe Unterstützung zu gründen ist wie Fliegen ohne Kompass. Mach nicht jeden Fehler selbst!

7. Dein Traum ist nicht der Traum deines Mitarbeiters
Vergiss nicht: Mitarbeiter leben nicht für deine Vision – sie tauschen ihre Zeit gegen Geld. Realistische Erwartungen sparen Frust und Enttäuschungen.

Marc Gfrerer ist seit über 25 Jahren Unternehmer im IT-Bereich. Er ist Geschäftsführer der LOGMEDIA GmbH mit Sitz in Villach und der 4conform GmbH in Klagenfurt und engagiert sich ehrenamtlich in der Wirtschaftskammer Kärnten.
www.logmedia.at
4conform.com

Rothi Media GmbH ist eine Social Media-Agentur mit Sitz in Klagenfurt. Das Unternehmen mit 10 Mitarbeitern führen Delphine und Michael Rotheneder. Sie bieten maßgeschneiderte Lösungen in den Bereichen Social Media-Strategie, Videoproduktion, Workshops und Onlinekurse an.
www.rothi.media
instagram
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M.U.T.letter

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