„Unternehmer sein muss wieder Freude machen!“

Die Bedeutung von Entscheidungen stand im Mittelpunkt des jüngsten WB-„Zirkel“-Events, eines Veranstaltungsformats, das in der Kärntner Business-Szene Benchmarks setzt. M.U.T. sprach mit WB-Obmann und WK-Präsident Jürgen Mandl über seine eigenen Entschlüsse und Entscheidungen, warum sich Leistung wieder lohnen muss und wie es in der österreichischen Politik weitergehen soll.

Herr Präsident Mandl, jeder Mensch trifft täglich Entscheidungen, bei Unternehmern können sie manchmal eine enorme Tragweite haben. Wann haben Sie sich zuletzt mit einer Entscheidung schwergetan?

Unternehmerische Entscheidungen sind oft schwierig – vor allem, wenn es ans Eingemachte geht, wenn Geld auf dem Spiel steht, die Zukunft von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder die grundsätzliche Richtung, in die sich das Unternehmen entwickeln soll. Vor zehn Jahren bin ich vor der Entscheidung gestanden, das Amt des Wirtschaftskammerpräsidenten zu übernehmen, und ich muss sagen, das war alles andere als einfach. Da waren viele Fragen offen: Wie sehr würde das meine Arbeit für das Familienunternehmen beeinflussen? Kann ich das meinen Eltern und meinem Bruder zumuten? Was wäre überhaupt der Beitrag, den ich letztendlich für den Wirtschaftsstandort mit 35.000 Betrieben leisten könnte? Das alles wollte gut überlegt sein.

Wir wissen, wie es ausgegangen sind: Sie sind seit zehn Jahren im Amt, unbestritten, hoch angesehen in Politik und Wirtschaft. Also: richtig entschieden?

Heute weiß ich natürlich die Antworten auf die damaligen Fragen. Die Funktion als höchster Standesvertreter der Wirtschaft in Kärnten nimmt viel mehr Zeit und Energie in Anspruch, als ich es mir damals ausgemalt habe. Auch wenn ich mir wirklich Mühe gebe, war und ist diese Aufgabe für mich eine Ehre, aber eine ziemliche Zumutung für meine Eltern und meinen Bruder, denen ich dankbar bin dafür, dass sie mir diese Erfahrung ermöglicht haben. Was ich aber noch viel mehr hervorheben möchte, ist der persönliche Beitrag, den die Freundinnen und Freunde im Wirtschaftsbund geleistet haben, damit dieser Wirtschaftsstandort gut durch die zunehmenden Wirren der Zeit gekommen ist. Ich weiß schon, Eigenlob stinkt, aber sechs Monate vor einer Wirtschaftskammerwahl darf man sich schon auch einmal selber auf die Schulter klopfen! Vielen, vielen Dank an unsere Mitstreiter im WB für ihre Leidenschaft und ihr Engagement.

Bleiben wir bei schwierigen Entscheidungen. Vor denen steht jetzt auch die österreichische Politik und vor allem die ÖVP.

Ich möchte nicht in der Haut jener stecken, die jetzt entscheiden müssen für eine Zusammenarbeit mit einer Partei, die uns programmatisch vielleicht nähersteht, aber mit der jeder Versuch der Kooperation bisher im Chaos geendet hat; oder für ein Experiment mit ungewissem Ausgang, aber der Gefahr, wieder Kernbereiche christlich-konservativer Politik nicht durchsetzen zu können und das klare bürgerliche und wirtschaftskompetente Profil aufs Spiel zu setzen, wie das in den vergangenen fünf Jahren streckenweise der Fall war.

„Unternehmer sein muss wieder Freude machen!“
Jürgen Mandl, WB-Obmann und WK-Präsident, möchte mehr Anerkennung für Unternehmertum.

Was ist Ihr Rat an das ÖVP-Verhandlungsteam?

Ich kann nur appellieren: Ganz egal, wie die nächste Bundesregierung aussieht, sie muss Österreich vom wirtschaftlichen Pannenstreifen wieder auf die Überholspur bringen, und zwar rasch. Die heimische Industrie ist das dritte Jahr in der Rezession, weitere große Teile der Wirtschaft schrumpfen seit zwei Jahren. Das hält ein kleiner, exportorientierter Wirtschaftsstandort wie Österreich nicht lange aus. Und auch wenn viele Politiker das nicht verstehen oder nicht gerne hören wollen: Ohne eine gesunde Wirtschaft gibt es keinen funktionierenden Staat. Nur die Unternehmen und ihre Mitarbeiter schaffen die Wertschöpfung, die Zukunftsinvestitionen ermöglicht, und die Steuern und Abgaben, aus denen der Staat alle seine Aufgaben finanziert, von der Schule über die Straße bis zum Spital.

Was die schlechte Wirtschaftslage anlangt, spielen da nicht auch externe Faktoren eine starke Rolle?

Ja, natürlich, denken wir nur an Corona und den Krieg in der Ukraine. Aber was die heimische Wirtschaft jetzt von der Politik braucht, ist ganz einfach, und wir fordern es schon lange ein, mit zunehmender Ungeduld: weniger Bürokratie, weniger Lohnnebenkosten, mehr unternehmerische Freiheit. Unternehmer sein muss wieder Freude machen, und wir müssen auf den Weltmärkten wieder wettbewerbsfähig werden, das ist für mich die vorrangigste Aufgabe der neuen Bundesregierung.

Ist das nicht äußerst schwierig in einer sich grundlegend wandelnden Welt?

Das ist es, aber es gibt eben auch Entscheidungen, die wir alle als Gesellschaft treffen müssen. Da ist einerseits das endlose Gezeter, was alles schiefläuft auf der Welt. Das Klima kippt, der dritte Weltkrieg hat eigentlich schon begonnen, in Österreich ist angeblich jeder Vierte von Armut betroffen und unsere Kinder hungern. Ich kann es nicht mehr hören. Ja, wir haben unsere Herausforderungen – wann hatten wir die nicht? –, aber wir leben auf einem Standard, von dem alle Generationen vor uns nur träumen konnten. Und wir brauchen uns dafür nicht zu schämen oder zu rechtfertigen: Wir und auch unsere Vorfahren haben uns das hart erarbeitet. Darauf sollten wir auch einmal stolz sein und uns nicht dauernd hinunterziehen lassen von Besserwissern und Schlechtermachern.

…die noch dazu immer weniger arbeiten wollen.

Ich bin wirklich irritiert, dass es tatsächlich Menschen und Politiker gibt, die glauben, dass wir die offensichtlichen Herausforderungen in Österreich am besten bewältigen, wenn wir alle weniger arbeiten. Das beginnt schon bei meinem Lieblingsbegriff, der „Work-Life-Balance“. Der Fachausdruck dafür ist „Framing“: Dieses „Framing“ will uns ganz unterbewusst einreden, dass Arbeit und Leben zwei grundverschiedene Dinge sind, die gar nicht zusammenpassen und die man in ein ausgewogenes Verhältnis bringen muss. Anstatt die Arbeit als wichtigen Teil des Lebens zu sehen, der für sehr viele Menschen nicht nur Sinn und Selbstbestätigung ist, sondern – offenbar muss man das heute betonen – die Grundlage einer selbstständigen Existenz.

Jeder ist seines Glückes Schmied?

In erster Linie – und das ist meine feste Überzeugung – ist jeder selbst für sich und sein Lebensglück verantwortlich. Für jene, die diese Verantwortung nicht tragen können, stehen wir ganz im Sinne der sozialen Marktwirtschaft und der christlichen Nächstenliebe gerne ein. Ich meine aber wirklich jene, die ihren Beitrag nicht leisten können. Jene, die auf mich eher den Eindruck machen, dass sie nicht wollen, sehe ich da nicht. Unseren Betrieben fehlt vorn und hinten das Personal, die Pflege, die Krankenhäuser, die Exekutive, die Schulen, sogar die Bürokratenburgen suchen händeringend Leute – aber in Österreich gibt es tatsächlich Politiker, die von der Vier-Tage-Woche schwafeln, selbstverständlich bei vollem Lohnausgleich. Das darf es mit der ÖVP in einer Bundesregierung nicht geben. Mit einer Teilzeit-Mentalität ist kein Vollzeit-Staat zu machen.

Nach der Wahl ist vor der Wahl: In Kärnten wählt im März die Wirtschaft. Ihre Prognose?

In sechs Monaten steht die Entscheidung darüber an, ob der Wirtschaftsbund weiterhin die mit Abstand stärkste und tonangebende Kraft in der Wirtschaftskammer und für den Wirtschaftsstandort Kärnten und Österreich ist. Dabei steht nicht nur unsere Arbeit als Wirtschaftsbund auf dem Prüfstand, sondern das System Wirtschaftskammer: die Überzeugung, dass es eine eigene, unabhängige, selbstbestimmte Interessenvertretung der Unternehmerinnen und Unternehmer braucht, um den produktiven Interessenausgleich zu gewährleisten und möglichst gute Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln zu schaffen. Aus dieser Überzeugung ist 1850, vor fast 175 Jahren, die wirtschaftliche Standesvertretung entstanden. Sie hat zwei Weltkriege, zwei Pandemien und eine grüne Regierungsbeteiligung überlebt. Und ich finde, sie war noch niemals so unverzichtbar wie heute.

Fotos: Zakorz, WKK

M.U.T.letter

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