RURASMUS ist ein europäisches Aufs-Land-Semester. Ziel ist, dass junge Studierende als Teil ihres Studiums einen positiven Beitrag für die Entwicklung ländlicher Gemeinden geben können. Entstanden ist das Projekt in Kärnten und auch der Sitz des mittlerweile als Europäisches Forschungsinstitut agierenden Initiative ist im Kärntner Moosburg. Ein Gespräch mit den beiden Gründern Roland Gruber und Elisabeth Leitner.
Wie ist RURASMUS entstanden?
Was uns schon lange beschäftigt sind die strukturellen Veränderungen, denen der ländliche Raum durch den sogenannten „Braindrain“ unterworfen ist – die Abwanderung der Jungen führt zur Ausdünnung der für Junge relevanten Infrastruktur und dem Verlust von potenziellen Wissensträgern.
Warum liegt euch die Zukunft des ländlichen Raums in Europa so am Herzen?
Wir beschäftigten uns seit Jahrzehnten beruflich und privat mit dem ländlichen Raum. Sowohl als Selbständige Akteure in der Zukunftsentwicklung und mit Bürgerbeteiligungsprozessen, also auch in der Lehre an unterschiedlichen Universitäten und Hochschulen wie auch in der Politik als kommunale Verantwortungsträger für Veränderungsprozesse. Diese Erfahrung war das Fundament für das gemeinsame Projekt.
Was bedeutet der Name RURASMUS?
Der Name RURASMUS ist ein von uns kreiertes Kunstwort, was sich aus zwei Komponenten zusammensetzt: Einerseits aus dem Begriff des ruralen Raums, also die internationalen Bezeichnung für ländlicher Raum und andererseits aus dem Erasmus-Studierendenprogramm der europäischen Union, das seit vielen Jahrzehnten sehr erfolgreich durchgeführt wird.
Was ist die eigentliche Vision von Rurasmus?
Gestern, das war Studieren im Ausland in großen Städten. Morgen, das ist Studieren in kleinen Gemeinden auf dem Land, denn die Zukunft des ruralen Raum Europas gehört der jungen Generation. Mit RURASMUS wohnen und arbeiten Studierende ein Semester lang in europäischen Gemeinden, machen diese zu temporären Universitätsstandorten und deren spezifische lokale Herausforderungen zu Themenstellungen ihrer innovativen Studienprojekte.
Warum machen Studierende Rurasmus?
Ziel des RURASMUS-Programmes ist es, eine neue Beziehung zwischen jungen Menschen und dem ländlichen Raum entstehen zu lassen. Studierende bekommen die Möglichkeit, bestehende Vorurteile zu hinterfragen und abzubauen. Mit ihren Projektideen geben sie wichtige Impulse für eine positive Entwicklung der Gemeinden und werden zu aktiven Zukunftsgestalterinnen des ländlichen Raumes. Die Chancen stehen gut, dass durch dieses neuartige Band auch langfristige und dauerhafte Beziehungen entstehen.
Studierende wohnen und arbeiten ein Semester lang in Gemeinden und entwickeln zu lokalen Themenstellungen innovative Projektideen im Rahmen ihrer Hochschulausbildung. Gemeinden profitieren unmittelbar von entstandenen Projektideen und der Möglichkeit eines neuen Beziehungsaufbaus zu jungen Menschen. Junge Menschen erhalten die Chance, ihre Perspektive auf den ruralen Raum zu verändern, seine Zukunft aktiv mitzugestalten und theoretisches Wissen in der Praxis anzuwenden. Das RURASMUS-Forschungsinstitut ist die Drehscheibe für Organisation, Kommunikation und die Einhaltung von Qualitätsstandards.
Worin liegen die Vorteile für Gemeinden und Studierende?
Die Vorteile des praxisbezogenen Lernens zum Beispiel. Ein Vergleich mit Erfahrungen aus Praktika-Semestern wurde hergestellt und dabei betont, wie hoch der Wissensgewinn gegenüber dem rein theoretischen Lernen ist. Für Gemeinden wird der Input von außen, durch junge Köpfe als großes Potenzial gesehen. Die Studierenden wohnen für längere Zeit in den ländlichen Kommunen, sie werden Teil des Gemeindelebens und können ihre Erkenntnisse immer wieder auch mit der lokalen Bevölkerung abgleichen.
Wir leben ja in einer Zeit des Fachkräftemangels. Kann hier Rurasmus auch einen Beitrag leisten?
Wenn man längere Zeit an einem Ort verbringt, steigt damit nicht nur der Wissensgewinn und die lokale Vernetzung, auch die Qualität der Auseinandersetzung und damit die Verbindlichkeit eine passende Lösung zu finden, wird durch die wachsende Beziehung mit Ort und Menschen verstärkt. Die Studierenden werden zum „Kümmerer“ für ein bestimmtes lokales Thema, das in diesem Zeitraum intensiv und sichtbar vorangetrieben wird. Im Anschluss kann sich daraus das erste Praxisprojekt für Studierende entwickeln und diese haben mit RURASMUS die Chance, sich den ersten Job nach dem Studium selbst zu erfinden oder gleich bei Unternehmen in der Region eine Arbeit zu finden. Neben der frischen Herangehensweise und Ideen für manch eingefahrene Probleme kann das Anknüpfen an das fachliche Netzwerk der Studierenden und Lehrenden ein Gewinn für die Kommunen und die Unternehmen vor Ort darstellen und im besten Fall auch qualifizierte Arbeitskräfte auch in der Region halten.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen in der Organisation des Rurasmus-Studierenden-Programms?
Natürlich der Ruf, der dem ländlichen Raum oftmals vorauseilt: Es leben nur ältere Menschen am Land, das Freizeit- und Bildungsangebot ist deutlich eingeschränkt oder nicht existent und das Vorankommen ohne PKW nicht möglich. Diesen Hürden müsse man dadurch begegnen, dass man sie zu einem Abenteuergefühl werden lässt. Es ist Teil der Kommunikationsstrategie, Studierenden das Verlassen ihrer Komfortzone schmackhaft zu machen. Zum Beispiel mit Buddys. Das sind mindestens fünf gut vernetzte Personen aus der Gemeinde, die die Angst vor dem Alleinsein nehmen sollen, fachlich wie privat. Sie helfen dabei, rasch ins Gemeindeleben einzutauchen, fachlich anzuknüpfen und auch, mit Gleichaltrigen und – gesinnten Freizeitaktivitäten zu teilen. Bei der Präsentation der Gemeinden und Regionen und deren fachlicher Aufgabenstellungen sollte auch auf die Darstellung von spannenden Freizeittipps Wert gelegt werden.
Wie wird Rurasmus in das reguläre Universitätssemester integriert?
Aktuell wird RURASMUS innerhalb bestehender akademischer Strukturen abgewickelt, was bedeutet, dass auf manchen Hochschulen auf sogenannte „Flexibilitätssemester“ oder „Praxissemester“ zurückgegriffen wird, oder andere Wege innerhalb akademischer Strukturen gefunden werden. Zielgruppe sind sowohl Studierende, die ursprünglich vom Land kommen, aber auch interessierte junge Menschen aus der Stadt, wenn es darum geht, neue Ideen für das ländliche Europa zu entwickeln und zu testen. In einem regelmäßigen Vernetzungstreffen der RURAMUS Studierenden und Lehrenden sollen Erfahrungen ausgetauscht werden. Für das Forschungsinstitut RURASMUS ist dabei nicht nur die Frage nach den spezifischen Lösungen der Gemeinden interessant, sondern auch, welche protypischen Antworten sich aus den Studierendenprojekten ableiten lassen.
Wie können sich Gemeinden bewerben?
Interessierte Gemeinden und auch Regionen werden laufend in das Programm aufgenommen und können mit dem RURASMUS-Forschungsinstitut Kontakt aufnehmen. Die Kosten für eine Teilnahme sind erschwinglich und können gefördert werden, Eigenleistungen sind unter anderem die Bereitstellung von Wohn- und Arbeitsraum um den kostenlosen Aufenthalt der Studierenden zu ermöglichen.
Wie können sich Studierende bewerben?
Wir bewerben auf der Website und in den sozialen Medien jeweils die aktuelle Ausschreibung für RURASMUS Gemeinden und Regionen. Die Bewerbung erfolgt über ein Bewerbungsformular.
Roland Gruber & Elisabeth Leitner Brandnerweg 6
RURASMUS-Vorstand
Forschungsinstitut zur Förderung neuer Perspektiven für das rurale Europa
9062 Moosburg
office@rurasmus.eu
www.rurasmus.eu