Vielfach wird die Startupszene mit jungen, energiegeladenen, wenig erfahrenen Gründerinnen und Gründern in Verbindung gebracht. Doch es gibt auch eine Gegenentwicklung: Denn immer mehr Menschen entscheiden sich, erst in späteren Lebensabschnitten, z.B. nach der Pensionierung, ein Unternehmen zu gründen. Diese „Silverpreneurs“ bringen nicht nur Erfahrung und Reife mit, sondern eine tiefe Leidenschaft für ihre Geschäftsideen. Sie beweisen, dass man auch mit über 60 Jahren erfolgreich ein Startup gründen kann – wie uns das Beispiel von Klaus Leesemann belegt…
Dazu besuchten wir den Unternehmer Klaus Leesemann in seiner „Schallmanufaktur“ in Klagenfurt. Mehr als zwei Jahrzehnte war er als Unternehmer in der Immobilienentwicklung und in der Fotografie tätig. Doch nach dem Eintritt in seinen „Unruhestand“ ging er seiner wahren Leidenschaft für Musik und Raumakustik nach und gründete im Alter von 68 Jahren sein Startup „Schallmanufaktur“. Ein geplantes Vorhaben, das schon sehr lange in ihm schlummerte. Leesemann begann bereits als Student in den 70er Jahren damit, Lautsprecher zu bauen. Und diese Leidenschaft hat den passionierten Windsurfer nie mehr losgelassen. Aber erst nach seiner Pensionierung wagte er den Schritt, ein eigenes Produkt auf den Markt zu bringen, das seine jahrzehntelange Erfahrung und Expertise in diesem Bereich vereint.
Die Vorlage zur Idee lieferte seine Immobilienexpertise
Die Idee, einen eigenen Lautsprecher zu entwickeln, der nicht nur einen einzigartigen Klang, sondern auch ein elegantes Design bietet, entstand aus einer Faszination für Raumakustik. Leesemann bemerkte schon in seiner Zeit als Immobilienentwickler, dass die beste Audioanlage durch eine schlechte Raumakustik ruiniert werden kann. So suchte er nach einer Lösung, die über einfache Schaumstoffplatten oder Eierkartons hinausging. Er begann damit, Lautsprecher zu entwerfen, die speziell auf die Optimierung des Klanges in unterschiedlichsten Räumen ausgelegt sind. Und so präsentierte er unlängst auf der größten HIFI-Messe in München, nicht ohne Stolz, seinen eigenen entwickelten Lautsprecher „Radipotar“ (www.potar.at).
Das Alter kann auch viele Vorteile bieten
Was ihn und viele andere Silverpreneure dabei von jüngeren Gründern unterscheidet, ist die Erfahrung, die er aus seinem Berufsleben mitbringt. So kennt er es nur zu gut, auch lange Durststrecken zu durchtauchen und beharrlich den Weg des Erfolges zu verfolgen.
„Natürlich hat mir meine jahrelange Berufserfahrung und das, über Jahrzehnte aufgebaute, Netzwerk sehr geholfen. Man lernt in diesen Jahren, wie man Verhandlungen führt, Probleme löst und Kontakte knüpft – Fähigkeiten, die für den Erfolg eines Unternehmens entscheidend sind. Darüber hinaus bringt man eine größere finanzielle Stabilität mit, die es ermöglicht, auch mit Risiken bewusster und durchdachter umzugehen,“ resümiert Leesemann.
Ein weiterer Vorteil älterer Gründer ist ihre Fähigkeit, langfristig zu denken. Viele junge Unternehmer verfolgen kurzfristige Ziele und schnelle Erfolge. Leesemann hat seine Lautsprecher nicht nur entwickelt, um schnelle Gewinne zu erzielen, sondern um ein Produkt zu schaffen, das sowohl ästhetisch als auch akustisch höchsten Ansprüchen genügt – und das findet international bereits Anerkennung.
Leidenschaft und Neugier als Schlüssel zum Erfolg
Eine wichtige Säule zum eigenen Produkt ist die beständige Neugier. Um ein markttaugliches Produkt zu entwickeln, musste er sich kontinuierlich weiterbilden und neue Technologien in sein Geschäft einfließen lassen. So arbeitet er, gemeinsam mit seinem Mitstreiter Christoph Haidinger, mit modernen CAD-Programmen wie Fusion 360 und nutzt 3D-Druck-Technologien, um einige der Bestandteile des „Radipotar“ zu perfektionieren.
Herausforderungen und Chancen beim späten Gründen
Natürlich gibt es auch Herausforderungen, wenn man im reiferen Alter ein Startup gründet. Physische und mentale Erschöpfung können eine Rolle spielen. Ebenso wie die Tatsache, dass das Tempo der technologischen Innovation überwältigend sein kann. Doch genau hier zeigt sich, wie wichtig es ist, auf die eigene Erfahrung und die richtigen Partner zu setzen. Leesemann hat dies erfolgreich umgesetzt, indem er sich mit Experten aus verschiedenen Bereichen umgab, die ihm halfen, seine Vision zu verwirklichen.
Die Digitalisierung bietet enorme Chancen. Die Möglichkeit, Produkte online zu vermarkten und zu verkaufen, hat den Zugang zu neuen Märkten erleichtert. Leesemann vermarktet seine Lautsprecher international und hat Kunden, Fans und Interessenten aus ganz Europa und sogar den USA gewonnen. Die Nutzung von Online-Marktplätzen und sozialen Medien ermöglicht es älteren Gründern, ihre Produkte einem breiten Publikum zugänglich zu machen, ohne auf traditionelle Vertriebskanäle angewiesen zu sein.
Es ist nie zu spät für den nächsten großen Schritt
Die Geschichte von Unternehmern wie Klaus Leesemann zeigt, dass es nie zu spät ist, ein Unternehmen zu gründen. Tatsächlich sind sie oft sogar im Vorteil, da sie auf einem stabilen Fundament aus Wissen und Erfahrung aufbauen können, das ihnen hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen und langfristige Erfolge zu erzielen.
Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich fragen, ob sie im späteren Lebensabschnitt noch den Mut finden sollten, ein Startup zu gründen, kann man nur motivierend beipflichten: Ja, es ist möglich – und es kann unglaublich erfüllend sein. Ob in der Technologiebranche, im Handwerk oder in der Kunst – mit der richtigen Idee und dem richtigen Netzwerk ist der Erfolg auch im reiferen Alter zum Greifen nah!