In keinem Bundesland spielt ein einziges Unternehmen eine derart dominante Rolle wie Infineon in Kärnten. Zeit, dass andere Betriebe nachziehen.
Forschung ist nicht fad. Bester Beweis dafür ist die Kärntner „Lange Nacht der Forschung“, die im Mai über 8.000 Interessierte an insgesamt 70 Stationen in Klagenfurter Universität und Lakesidepark gelockt hat. Monatelang haben sich Forscherinnen und Entwickler darauf vorbereitet, ihre bahnbrechenden Erkenntnisse und Produkte Groß und Klein näher zu bringen: Roboter, die uns in immer mehr Bereichen die Arbeit abnehmen werden, Gefahren aber auch Chancen der Künstlichen Intelligenz, Geheimnisse der Biodiversität etc. Bei all der qualitativen Vielfalt möchte man kaum glauben, dass die Kärntner Forschungsszene quantitativ so massiv von nur einer Branche und einem Betrieb dominiert ist.
Fünfter bei der Forschungsquote
Das renommierte Forschungsinstitut Joanneum Research hat kürzlich im Auftrag des Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds KWF genauer die Verteilung der Kärntner Forschungsausgaben untersucht. Dabei ist zunächst einmal herausgekommen, dass Kärnten im Jahr 2021 beim Aufwand pro Einwohner insgesamt knapp über dem Österreichschnitt liegt (K: 1.063 Euro, Ö: 1.019 Euro), dafür weit über dem EU-Schnitt von nur 488 Euro.
Auch im Bundesländervergleich kann sich Kärnten sehen lassen. Als Maßstab gilt hier die so genannte Forschungsquote, die den Anteil aller Forschungsausgaben von u.a. Uni, FH, Forschungsinstituten und Betrieben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (Bruttowertschöpfung) ausweist. Kärnten liegt da mit seinen 3,05 Prozent hinter der Steiermark, Wien, Oberösterreich und Tirol immerhin an fünfter Stelle, war aber schon einmal Dritter. Wenig verwunderlich ist, dass vor allem jene Bundesländer vor Kärnten liegen, die große Unis mit teuren medizinischen bzw. technischen Fakultäten haben. Da wird – salopp formuliert – der Löwenanteil der staatlichen Budgets für Grundlagenforschung verbraten.
Abwanderung zu großen Unis
Kleinere Bundesländer mit kleineren Unis oder Fachhochschulen (FH) tun sich da bedeutend schwerer. Und das in mehrfacher Hinsicht. Erstens siedeln sich in den „Ökosystemen“ rund um die großen renommierten Unis eher Betriebe an, die mit ihnen kooperieren. Zweitens ziehen die Großunis auch die begabtesten Studierenden aus den anderen Bundesländern ab. Es wird in diesem Zusammenhang spannend, wie sich Kärnten in dem durch die Koralmbahn zusammenwachsenden neuen Zentralraum Südösterreich gegenüber der mächtigen Steiermark (Med-Uni und TU Graz) behaupten kann.
Den Effekt der Abwanderung von Forschung und Forschenden gilt es allerdings auch auf internationaler Ebene genau zu beobachten. Einer der Hauptkritikpunkte des eben wieder von der Lausanner Hochschule IMD veröffentlichten „World Competitiveness Ranking“ der wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsstandorte betrifft die heimischen Hochschulen. Keine einzige scheine in internationalen Top-Rankings auf, bringt es Studienautor José Caballero auf den Punkt (Die Presse, 19.6.2024). Die in Österreich im internationalen Vergleich extrem hoch besteuerten Arbeitseinkommen schrecken Forscherinnen und Forscher zusätzlich ab.
Forschungsriese Infineon
Der Kärntner Hochschulsektor (Uni und FH) hat im Jahr 2021 jedenfalls 79 Mio. Euro für Forschung ausgegeben. Dem stehen allerdings gewaltige 686 Mio. Euro des Unternehmenssektors gegenüber – fast das Neunfache! Von diesen 686 Mio. Euro war allein die Elektronik für 484 Mio. Euro (70 Prozent!) zuständig. Die Statistik Austria versucht es zwar geschickt zu verschleiern, aber unter den vier hier anonym ausgewiesenen Betrieben bestreitet de facto der Chiphersteller Infineon Technologies Austria den Löwenanteil dieser Ausgaben. Und da ist nur der Hauptstandort in Villach berücksichtigt, nicht aber sind es die forschungsintensiven weiteren in anderen Bundesländern, die von ihm abhängen. Im gerade veröffentlichten Ranking 2023 des Trend-Wirtschaftsmagazins ist Infineon übrigens zum wiederholten Mal als forschungsstärkstes Unternehmen Österreichs ausgewiesen!
Ganz ähnlich der Unterschied bei der Zahl der Forscherinnen und Forscher in den Betrieben (2021): 2.520 in der Elektronik entsprechen 66 Prozent des gesamten Unternehmenssektors. Gemeint sind hier übrigens so genannte Vollzeit-Äquivalente und nicht Köpfe. Nicht alle sind nämlich Vollzeit-Forscher. Das spielt vor allem an den Unis eine entscheidende Rolle. Eigentlich sind es ja dort viel mehr als die errechneten 565 Personen. Sie gelten aber (auch wenn sie Vollzeit arbeiten) als Teilzeit-Forschende, weil sie z.B. auch Lehrveranstaltungen abhalten. So jedenfalls erklärt es Andreas Niederl von Joanneum Research.
Fazit: Die Entwicklung des Kärntner Forschungsvolumens hängt ganz eng mit den Investitionszyklen und der Beschäftigungspolitik des Elektronikriesen zusammen.
Wirtschaftsfaktor Infineon
Die wirtschaftliche Bedeutung von Infineon für den Standort Kärnten ist übrigens auch ganz allgemein gewaltig: 2022 hat das Economica-Institut festgestellt, dass das Unternehmen mit seinem Umfeld allein für 5,9 Prozent der Kärntner Wertschöpfung steht. Damit übertrifft es die Wertschöpfung des gesamten Sektors „Beherbergung und Gastronomie“ noch einmal um die Hälfte! In keinem anderen Bundesland hat ein einzelnes Unternehmen eine derart große Bedeutung.
Angesichts der hohen Abhängigkeit des Wirtschaftsstandorts vom Elektronikriesen sprechen Experten hinter vorgehaltener Hand von einem „Klumpenrisiko“. Denn würde man die Forschungsleistung von Infineon von der Kärntnerischen abziehen, dann bliebe nur noch die Größenordnung des wirtschaftlich viel schwächeren Burgenlands übrig. Kein anderes Kärntner Unternehmen ist auch nur annähernd imstande, riesige EU-Forschungsprojekte wie „ALL2GaN“ (für Energiesparchips) und „AIMS5.0“ (Künstliche Intelligenz für ressourceneffiziente Produktion) mit zusammen einem Volumen von 130 Mio. Euro und 98 Partnern aus 18 Ländern zu stemmen.
Weniger forschende Betriebe
Im Gegenteil! Blickt man auf die traurige Statistik der Zahl in Forschung und Entwicklung aktiver Unternehmen, dann sieht man einen deutlichen Rückgang: von 2019 auf 2021 um 22 auf 143. In der Steiermark oder in Wien sind es weit über 1.000. So spannend sich auch jedes Jahr die Preisträger beim vom KWF ausgeschriebenen Innovations- und Forschungspreis ( https://kwf.at/innovationspreis-2024/#1510759072879-fa5cdd71-78d0 ) präsentieren, sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Dichte regelmäßig forschender Unternehmen in Kärnten deutlich höher sein müsste. Nur wer sich mittels ständiger Innovation vom Mitbewerb abhebt, überlebt auf längere Sicht bei Österreichs im internationalen Vergleich viel zu hohen Lohn- und Energiekosten.
Jene, die sich auf Forschung und Entwicklung einlassen, finden in nächster Umgebung vieles: im KWF eine Fördereinrichtung, die sogar personelle Ressourcen in Form von Innovationsassistenten zur Verfügung stellt, in der Wirtschaftskammer Anschluss an österreichische und EU-Förderprogramme, schließlich in den universitären oder außeruniversitären Forschungszentren den wichtigen Wissenstransfer. Forschung hat nichts mit Roulette zu tun. Die Risiken, mit bewährten Technologien nicht in neuen Anwendungsfeldern zu reüssieren, sind überschaubar. Letztlich braucht es dazu aber auch den unternehmerischen Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen.
Wo gibt’s die Forschungsförderung?
Der Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds bietet Innovations- und Forschungsförderungen für alle Unternehmensgrößen:
https://kwf.at/foerderung/forschung-entwicklung-und-innovation/