Raus aus dem digitalen Mittelmaß!

Für das Lohnniveau eines hoch entwickelten Wirtschaftsstandorts ist Kärnten zu wenig digitalisiert. Das kann sich rächen.

Zum Glück kümmert sich die EU nicht nur um Krümmungsradien von Gurken oder um Rauchverbote im Freien. Sie verpflichtet ihre Mitgliedsstaaten zum Beispiel auch dazu, die digitale Fitness ihrer Unternehmen zu untersuchen. In Österreich hat diese Aufgabe die Statistik Austria übernommen (Details hier). Für die Erhebung im Jahr 2023 liegen nun erstmals auch Daten der Bundesländer vor. An die große Glocke gehängt hat das der damals zuständige Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) nicht. Als „Ruhmesblatt“ kann man das 90-seitige Konvolut auch nicht gerade bezeichnen. Österreich insgesamt ist bestenfalls Mittelmaß und Kärnten liegt noch einmal dahinter.

Sie werden nun vielleicht einwenden: „Digitalisierung? Das ist doch total abstrakt. Das kann man ja gar nicht vergleichen.“ Aber tatsächlich hat die EU da einiges an Hirnschmalz investiert und 12 knallharte Kriterien/Technologien in sechs unternehmensrelevanten Bereichen formuliert:

1 Internetzugang und -nutzung
2 E-Commerce-Verkäufe
3 Cloud Services
4 Datennutzung, Datenaustausch und Data-Analytics
5 Künstliche Intelligenz
6 Rechnungen

Kärnten schlägt Steiermark

Wenn Sie als Unternehmer/in des Produktions- und Dienstleistungssektors mit mehr als zehn Mitarbeiter/innen den Fragebogen nicht ohnehin ausgefüllt haben, werden Sie jetzt vielleicht schon ins Grübeln kommen: „Was davon nutzen wir denn eigentlich, und was sollten wir nutzen?“ Wer nämlich zwischen vier und zwölf dieser digitalen Technologien im Einsatz hat, der gilt als „grundlegend digitalisiert“. Im österreichischen Schnitt sind das 59 Prozent, in Kärnten 55 Prozent, beim Spitzenreiter Vorarlberg aber sogar 71 Prozent der Unternehmen. Ein schwacher Trost: die Steiermark, die sonst wirtschaftlich fast überall vorne liegt, kommt nur auf einen Wert von 53,1 Prozent. Aber all das verfehlt jedenfalls noch sehr deutlich das EU-Ziel für 2030 von 75 Prozent. Finnland (86 Prozent), Schweden (81 Prozent) und Niederlande (79 Prozent) liegen heute schon deutlich darüber, Bulgarien (29 Prozent) und Rumänien (28 Prozent) meilenweit zurück. Besser lässt sich die technologische Kluft durch Europa wohl kaum demonstrieren.

Raus aus dem digitalen Mittelmaß!

Betriebe ohne Website?

Sich durch den Wust an Tabellen des Berichts der Statistik Austria zu graben, ist ebenso frustrierend wie lohnenswert. Da fällt zunächst einmal auf, dass 11,1 Prozent der in Kärnten befragten Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten offenbar nicht einmal eine eigene Website haben – aber immerhin 2,9 Prozent einen solitären Social-Media-Auftritt. 60 Prozent der Betriebe haben beides. In Vorarlberg liegt der Wert bei 80 Prozent! Knapp ein Drittel verfügt in Kärnten über einen Internetanschluss zwischen 30 und 100 Mbit/s, immerhin 40 Prozent zwischen 100 und 400 Mbit/s, 17 Prozent sogar noch breitbandiger.
Damit lässt sich dann schon was anfangen. So genannte Cloud-Services zum Beispiel: 41,3 Prozent der Kärntner Betriebe nutzen Software aus dem Internet: für E-Mail, Office-Programme, Finanz und Buchhaltung, ERP-Software (Enterprise Resource Planning, also ein Planungstool zur Steuerung von Personal, Ressourcen, Betriebsmitteln etc.), CRM (Kundenbeziehungen) oder Cybersecurity. In Wien und Vorarlberg sind es fast die Hälfte, in der Steiermark 39,4 Prozent. Ähnlich viele und mutmaßlich die gleichen haben sich mit Speicherplatz in der Cloud angefreundet. Beim europäischen Spitzenreiter Finnland sind es allerdings sogar 73 Prozent.

Ein ganz wichtiges Digitalisierungstool ist auch die Datenanalyse oder neudeutsch „Data Analytics“. Darunter versteht man den Gebrauch von Methoden, Algorithmen und Softwaretools, um blitzschnell und übersichtlich Muster, Trends und Erkenntnisse abzuleiten sowie – noch wichtiger – Vorhersagen treffen zu können: Wie entwickelt sich der Verkauf eines Produkts/einer Dienstleistung oder wann muss eine Maschine in die Wartung, um Ausfälle und Produktionsstillstände zu verhindern? In Kärnten sind es nur 22,5 Prozent der Betriebe, die Data Analytics nutzen, im Österreichschnitt 24 Prozent, im EU-Schnitt 33 Prozent, in – große Überraschung – Ungarn sogar 53 Prozent.

KI: Wien ist Spitze in Europa

Deutlich besser schneidet Österreich bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) ab. Immerhin bereits 11 Prozent der Unternehmen haben KI-Technologien implementiert. Das reicht von Texterkennung/-verarbeitung, Datenanalyse, Prozessautomatisierung, Spracherkennung/-generierung, Bilderkennung/-verarbeitung bis hin zu autonom fahrenden Maschinen oder Fahrzeugen. Damit liegt Österreich im oberen Drittel der EU-Staaten und jedenfalls deutlich über dem Schnitt von acht Prozent. Kärnten kann hier allerdings mit seinen 8,2 Prozent nur knapp über den EU-Schnitt springen. Österreichs Spitzenreiter Wien übertrifft mit seinen 16,3 Prozent sogar die europäischen Spitzenreiter Finnland und Dänemark (je 15 Prozent).

Die extremsten Unterschiede tun sich innerösterreichisch beim E-Commerce, also beim Verkauf über eigene oder fremde digitale Kanäle auf. Während in Kärnten 38,7 Prozent der Verkäufe zwischen den Unternehmen (B2B) oder zwischen Unternehmen und Ämtern/Behörden (B2G) stattfinden, sind es etwa in Oberösterreich 79,2 Prozent. Genau umgekehrt die Verkäufe an Privatkund/inn/en (B2C): Da sind es in Kärnten 61,3 Prozent, in Oberösterreich 20,8 Prozent. Das hängt mit der Stärke Oberösterreichs im produzierenden Sektor zusammen, wo B2B-Verkäufe in Lieferketten traditionell eine wichtigere Rolle spielen. Die Nutzung bestimmter Formen der Digitalisierung hat also sehr viel mit der Wirtschaftsstruktur einer Region zu tun. Insgesamt fremdelt die Kärntner Wirtschaft allerdings noch mit dem Thema E-Commerce, denn nur 23,4 Prozent der Unternehmen sind dabei. Salzburg kommt immerhin auf 36,7 Prozent!

Digitalisierungsplattform gibt es schon

Eine eigene Digitalisierungsstrategie hat Kärnten auf Basis der Daten noch nicht entwickelt. Die Statistik Austria hat erst seit dem Vorjahr ein ausreichendes Sample (eine repräsentative Stichprobe) vorliegen, um auch Bundesländer einzeln auswerten zu können. Die digitale Fitness der Unternehmen ist allerdings ein ganz wichtiger Indikator für deren Resilienz und damit Wettbewerbsfähigkeit. Die unterdurchschnittliche Performance ist daher gleichzeitig Alarmsignal und Handlungsaufforderung.
Eine gemeinsame Plattform von Kärnten und Steiermark gibt es ja schon mit dem DIH-SÜD, dem Digital Innovation Hub. Hier finden sich alle wichtigen „Stakeholder“ zusammen, um die digitale Transformation in der Wirtschaft zu unterstützen. Von der Wirtschaftsentwicklung der Bundesländer über die Wirtschaftskammern, Industriellenvereinigungen, Unis und Fachhochschulen, Forschungsinstitute bis zu den Gründerzentren. In einer großen Vielfalt von Themenfeldern werden Fortbildungsseminare und Workshops angeboten, um neue digitale Technologien zu lernen oder sich in Workshops über Best-Practice auszutauschen. Nur nutzen muss man sie halt. Informationen dazu finden Sie hier.

Das enthebt Kärnten aber nicht der Aufgabe, eine fundamentale Strategie zu entwickeln. Die Statistik zur Digitalisierung wird jährlich erhoben und ist Spiegel der technologischen Entwicklung sowie Wettbewerbsfähigkeit zentraler Wirtschaftsbereiche des Landes. Da gilt es, vor allem auf jene Regionen in Europa zu schauen, die besonders gut abschneiden und von denen man lernen kann. Erfolgreiche Digitalisierung ist einer der wichtigsten Hebel zur betrieblichen Effizienz- bzw. Produktivitätssteigerung und gegen die weltweit rekordverdächtigen Lohnkosten. Nebenbei könnte eine digitale Rosskur auch dem aufgeblähten öffentlichen Sektor in Kärnten nicht schaden. Die dramatische Entwicklung der Landesschulden lässt grüßen!

M.U.T.letter

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