Kaum eine Woche vergeht, in der sich Klagenfurt am Wörthersee nicht zum Gespött der österreichischen Landeshauptstädte macht. Am 20. September mussten die Stadtwerke die Öffentlichkeit darüber informieren, dass das Trinkwasser für mehr als 100.000 Menschen plötzlich gesundheitsgefährdend ist. Bis heute ist völlig unklar, was die Vergiftung mit Fäkalbakterien ausgelöst hat oder wie lange sie noch anhalten wird. Der Bürgermeister postet derweil Hundefotos vom Strandausflug.
Möglicherweise hat sich Christian Scheider aber auch Rat beim Amtskollegen in seinem Lieblingsurlaubsort Lignano geholt. In der adriatischen Partnerstadt gab es schon Mitte Juli eine heftige Diskussion um die Qualität des Badeurlaubs: Die Kläranlage der Kleinstadt sei den sommerlichen Besuchermassen nicht gewachsen, kaum gereinigte Abwässer würden dann das Meer verschmutzen. Lignano-Fan und Umweltexperte Scheider rückte umgehend zur Verteidigung aus: Die Abwasserqualität sei völlig in Ordnung, habe ihm der Tourismusstadtrat von Lignano versichert.
Gastronomie als Wasser-Opfer
In Klagenfurt geht es allerdings (noch) nicht um die Abwasserqualität, sondern um die massiv beeinträchtigte Trinkwasserversorgung für ein Fünftel der Kärntner Bevölkerung. Nicht nur die Haushalte müssen sich das benötigte Trinkwasser entweder abkochen oder in Flaschen beschaffen, auch Einrichtungen wie Krankenhäuser, Pflegeheime oder Schulen leiden massiv unter dem verseuchten Wasser aus dem Hahn und müssen aufwändige Alternativen bereitstellen.
Besonders betroffen ist die Gastronomie: Alltägliche Verrichtungen wie Salat putzen oder Eiswürfel machen werden unter diesen Umständen zum schwer lösbaren Problem, am schlimmsten ist die Wasserkrise allerdings für Betriebe mit Post-Mix-Anlagen, die aus Sirupen, Wasser und Kohlensäure frisch gemachte Softdrinks herstellen. „Die müssen sich jetzt mit Getränken aus der Flasche behelfen, was sich natürlich auch in den Kosten deutlich niederschlägt,“ weiß Gastronomie-Fachgruppengeschäftsführer Guntram Jilka. Was ihn besonders stört, ist die mangelnde Information der Stadt Klagenfurt: Von Freitagnachmittag, als die Verunreinigung des Trinkwassers bekannt wurde, bis Montagfrüh war keine der zuständigen Stellen und Personen im Magistrat erreichbar.
Wasser-Fall im Medienblitzlicht
Heute, fünf Tage danach, gibt es immer noch keine Informationen über Ursache und weitere Dauer der Versorgungskrise. Das hat nun sogar Landeshauptmann Peter Kaiser auf den Plan gerufen, der in einem recht amtlich gehaltenen Schreiben von Bürgermeister Scheider Aufklärung darüber verlangt, was unternommen wird und wie lange der unhaltbare Zustand noch andauern werde. Die ÖVP Klagenfurt hat zehn Fragen an Scheider gerichtet und möchte unter anderem wissen, wie die Beprobung des Trinkwassers organisiert ist und welche Investitionen geplant sind, um die Wasserversorgung abzusichern. Während die Landeshauptstadt ihrem zerrütteten Image auch in dieser Situation verlässlich gerecht wird, ist der Klagenfurter Wasser-Fall mittlerweile auch bundesweit in den Medien angekommen: „15 Euro für einen Liter! Wasser-Krise in Kärnten“, skandalisiert „Heute“, auch „Kurier“ und „Standard“ berichten ausführlich.
Kanalisation undicht?
Laut Website der Stadtwerke Klagenfurt wird das Trinkwasser der Landeshauptstadt „aus den Grundwasservorkommen in der Umgebung“ gewonnen. Schon Ende Juli wurde seitens der Stadt wegen hoher Enterokokken-Belastung vom Baden in der Sattnitz abgeraten. Dieselben Bakterien haben nun das Trinkwasser der Landeshauptstadt verseucht. Mittlerweile gibt es auch Spekulationen, wonach die Fäkalbakterien im Wasser mit Altersschäden der Ringkanalisation zusammenhängen könnten, die alle Abwässer des Wörthersee Nord- und Südufers – außer Velden – zusammenfasst und zur mehr als 50 Jahre alten Kläranlage im Süden der Stadt leitet. Diese Leitung soll in den kommenden Jahren erneuert werden – eventuell zu spät, um Verunreinigungen im Untergrund zu vermeiden.
Opfer-Bashing
In den Kärntner Medien wird ein solcher Zusammenhang bisher nicht untersucht. Für den Chefredakteur der Kleinen Zeitung ist die peinliche Klagenfurter Wasserkrise offenbar kein Sündenfall der dafür Gebühren einhebenden öffentlichen Versorgungsbetriebe, sondern eher ein Problem der unterbelichteten Bevölkerung: „Leitungswasser in einen Kochtopf leeren, drei Minuten lang aufkochen lassen, abkühlen, trinken. An dieser leichten Übung für den Hausverstand scheint so mancher Klagenfurter seit Freitag angesichts leerer Regale in Supermärkten und Schlangen bei Abgabestellen zu scheitern.“ Dass Kärntens Vorzeigemedium die Opfer dieses unappetitlichen Notstands heruntermacht, anstatt sich kritisch um Ursachen, Verantwortliche und weitere Folgen zu kümmern, dürfte in der jüngeren Vergangenheit ebenso einzigartig sein wie eine österreichische Landeshauptstadt, die eine Woche lang kein sauberes Trinkwasser hat.
Fotos: Kleine Zeitung, Facebook, PS