MUTAUSBRUCH: Denk ich an Deutschland in der Nacht…

… dann bin ich um den Schlaf gebracht, schrieb Heinrich Heine, das deutsche Dichterdenkmal, schon 1844, praktischerweise aus dem Exil in Paris. Seit damals hat uns der deutsche Michel schon mehrmals in der Geschichte den Schlaf geraubt, heute ist es wieder soweit.

Kein Tag vergeht, an dem sich die Medien nicht überschlagen mit Hiobsbotschaften über den Niedergang, was sage ich: den Absturz nicht nur der Deutschen, sondern des Deutschen insgesamt, der Wirtschaft, der Kultur, der Gesellschaft. Vom Regen der Ampelkoalition ist unser seit 1918 großer Nachbar – bis dahin war Österreich mindestens auf Augenhöhe mit den „Preußen“ – direttissima in die Traufe der Merz-Regierung geraten, die Autoindustrie bröckelt, der Standort erlischt. Denkt man an den früher in Wirtschaftskreisen populären Sager „Wenn Deutschland einen Schnupfen hat, hat Österreich die Grippe“, dann möchte man nicht daran denken, was hierzulande passiert, wenn Deutschland wirtschaftlich einen Herzinfarkt erleidet. Zur Verdeutlichung: Etwa ein Drittel aller Warenexporte Österreichs geht nach Deutschland, 40 Prozent unserer Importe kommen von dort.

Deutschland schafft sich ab

Es lohnt also nicht nur, sondern ist für Österreich existentiell, sich mit dem Schicksal des „Großen Bruders“ intensiv zu befassen. Zumindest in den heimischen Medien findet das kaum statt: Mit – wie mir scheinen will – sogar einem leisen Beiklang von Schadenfreude wird über jede Panne der Deutschen Bahn, jede baufällige Autobahnbrücke und jedes Zehntelprozent an Wirtschaftswachstum berichtet, das Deutschland, wieder einmal, unter den Prognosen geblieben ist.

Alternative Facts

Für Informationen, die ein komponiertes, also absichtsvoll gestaltetes Bild ergeben, hat sich seit einiger Zeit der Begriff „Narrativ“ herausgebildet. Das legt allerdings auch einen Erzähler nahe, der von genau dieser Wahrnehmung der Realität profitiert. Denn es gibt, diese Wortschöpfung verdanken wir der Trump-Sprecherin Kellyanne Conway in dessen erster Amtszeit, „alternative facts“, die mehr als nur eine Wahrheit, letztlich eine beinahe beliebig gestaltbare Interpretation unzähliger Wahrheiten erlauben. Während wir also aus den Medien – offiziellen, sozialen, asozialen – Deutschland als Nation im Abstieg wahrnehmen, in der Pensionisten die Pfandflaschen aus dem Müll klauben, Arbeitslose am Hungertuch nagen und ganze Stadtteile zu Ausländerslums verkommen sind, zeichnen zufällige Lokalaugenscheine im persönlichen Umfeld ein ganz anderes Bild; selbstverständlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber voll von alternativen Fakten, die zumindest Erwähnung und Aufmerksamkeit, eventuell sogar weitere Nachforschungen verdienen.

Blitzlicht Bamberg

Ein schmuckes Städtchen mit rund 80.000 Einwohnern im nördlichen Bayern, das neben einer Universität auch eine historische Innenstadt zu bieten hat, die schon seit 30 Jahren UNESCO-Weltkulturerbe ist. Die mittelalterlichen Gässchen mit ihren zahleichen Fachwerkbauten harmonieren bestens mit der vielfältigen Biertradition, die in einer Vielzahl von Lokalen aller Art und jeden Anspruchs aufrechterhalten wird. Auch an einem Wochentag brummt die bestens gepflegte Altstadt vor Besuchern, wie man es sich zum Beispiel in Klagenfurt gar nicht mehr vorstellen kann. Das könnte natürlich auch damit zu tun haben, dass hier ein Bier 4,20 Euro, ein ordentliches Beef Tatare 14 und ein Hendl 11 Euro kostet. Offenbar ist Bamberg bei einer anderen EU als Österreich, denn auch das liebevolle kleine Hotel in der Altstadt (um 72 Euro die Nacht) und die Taxifahrt vom letzten Termin dorthin (15 Kilometer mit einem 2000 km neuen Mercedes Vito um 8,90 Euro) lassen den gelernten Österreich ratlos zurück.

Momentaufnahmen

Friedrichroda, Eisenach, Gotha: Was beim Überfliegen der österreichischen Staatsgrenze von Salzburg nach Bayern mit freiem Auge erkennbar ist, wird auch hier im Thüringer Wald strikt vollzogen: Eine Raumordnung, die Siedlungs- und Naturraum ordnet, deshalb heißt sie so. Siedlungen sind klar abgegrenzt und wuchern nicht wild ineinander, dazwischen liegen unberührte Felder und Wälder. Supermärkte und Fachmarktzentren metastasieren nicht an der Peripherie auf der grünen Wiese, sondern beleben als Frequenzbringer die Ortskerne. Um, wenn nötig, größere Verkaufsflächen zu erzielen, wachsen mehrere Altbauten im Erdgeschoß zusammen. Und das Firmenschild ist kein neonplastikgreller Logowürfel, sondern eine Schmiedeeisenarbeit, die die Tradition des Ortes und den Stolz seiner Bürger auf ein gepflegtes Ortsbild zeigt.

Es geht immer um M.U.T.

Den ausgeprägten Ordnungssinn, das auch für Freunde manchmal schwer erträgliche Selbstbewusstsein und die sprichwörtliche deutsche Schaffenskraft haben unsere Nachbarn ganz sicher nicht wegen einer rotgelbgrünen Regierungsepisode verloren. Und ein 500 Milliarden Euro schweres Aufholprogramm wird ihnen den nötigen Schub verleihen, um aus der Krise gestärkt herauszukommen, mit neuer Infrastruktur, besser Technologie, frischem Mut.

Auch der Info-War ist ein Krieg

Terroranschläge können nicht nur Pipelines vernichten, sondern auch die psychische Wehrhaftigkeit des Gegners schwächen. Bleibt die Frage, ob jemand Interesse daran haben könnte, die Zuversicht nicht nur der deutschen, sondern auch möglichst großer Teile der europäischen Bevölkerung in eine gute, starke Zukunft der EU durch die Dauerbeschallung mit schlechten Nachrichten, Misserfolgsmeldungen und anderen Pleiten-, Pech- und Pannen-Krakeelereien zu zerstören. Mir würde da jemand einfallen.

Kennen Sie schon diesen Mutausbruch von Peter Schöndorfer?

M.U.T.letter

Wissen, was die Kärntner Wirtschaft bewegt:

Das könnte Sie auch interessieren