MUTAUSBRUCH: Budgetpfad ist „Road to Hell“

Ausgerechnet in die erste Woche der Sommerferien platzt die Hiobsbotschaft: Das Kärntner Landesbudget läuft immer schneller aus dem Ruder. Der Landesrechnungshof hat den Rechnungsabschluss 2023 unter die Lupe genommen und die Ergebnisse sind alarmierend. In allen Bereichen hat sich die finanzielle Situation des Landes dramatisch verschlechtert. Und 2024 wird noch viel schlimmer.

Die Finanzschulden stiegen vergangenes Jahr um fast 250 Millionen Euro auf das Rekordhoch von 3,823 Milliarden Euro und bauten die österreichweite Spitzenposition bei der Pro-Kopf-Verschuldung mit 6.717 Euro gleich um 191 Euro weiter aus. Weder für Investitionen noch für die Schuldentilgung stehen ausreichend Mittel zur Verfügung, konstatieren die LRH-Prüfer. Schon jetzt zahlt Kärnten billige Kredite notgedrungen durch die Neuaufnahme teurerer Kredite zurück – das schränkt den Handlungsspielraum weiter ein. „Das führt dazu, dass die Ertragskraft des Landes nicht ausreicht und nicht genügend Mittel für Investitionen und Schuldentilgung zur Verfügung stehen. Dadurch stieg auch die Verschuldungsdauer, die im Jahr 2022 noch 21,77 Jahre betrug, im Jahr 2023 auf 49,61 Jahre an. Das bedeutet, auch wenn das Land in den nächsten Jahren keine Investitionen tätigt, würde es fünfzig Jahre brauchen, um seine derzeitigen Schulden vollständig zu tilgen“, rechnet der RH vor.

2024 noch einmal eine halbe Milliarde minus

Als wäre die finanzielle Entwicklung des vergangenen Jahres nicht schlimm genug, zeichnet der von den Regierungsparteien beschlossene Landesvoranschlag für 2024 ein noch viel trüberes Bild. Die Neuverschuldung schnalzt noch einmal um 492 Millionen Euro hinauf, der Schuldenstand des Landes Kärnten klettert von 3,84 Milliarden Euro Ende 2023 laut offiziellem Budgetpfad auf 6,4 Milliarden Euro 2027. Die Pro-Kopf-Verschuldung wird dann laut Prognose ab 2026 erstmals fünfstellig sein und 2027 auf rund enorme 11.300 Euro ansteigen. „Das ist kein Budgetpfad, das ist die Road to Hell“, meinte ein ungenannt bleiben wollender Beobachter im Kärntner Landtag.

Gemeinden pfeifen aus dem letzten Loch

Die budgetäre Situation des Landes als ernst zu bezeichnen, wäre wohl die Untertreibung des Jahres. Noch gruseliger wird es, wenn man sich die finanzielle Lage der Kärntner Gemeinden anschaut. Erst Ende Juni wurde bei der Kärntner Gemeindekonferenz im Lakeside Park offensichtlich, dass auch den Kommunen das Wasser bis zum Hals steht. „Die Kärntner Gemeinden pfeifen finanziell aus dem letzten Loch und sagen für 2025: Das schaffen wir nicht mehr“, warnt Gemeindebundpräsident Günther Vallant (SPÖ) ebenso eindringlich wie erfolglos. Seine Blitzumfrage zeichnet ein Bild der Hoffnungslosigkeit: Etwa 20 Kärntner Gemeinden droht noch heuer die Zahlungsunfähigkeit, 65 Prozent dürften es heuer noch mit internen Krediten schaffen. Doch 2025 ist Schluss. Wilfried Pichler (80), seit 32 Jahren Bürgermeister von Sachsenburg, in der Kleinen Zeitung: „Das bedeutet, dass das Geld für Investitionen fehlt, womit die Kommunen als größte Auftraggeber für die kommunale Wirtschaft ausfallen. Das ist eine Katastrophe für die Betriebe und Arbeitsplätze.“

Blauer Brief für Bundesbudget aus Brüssel

Hoffnungen, dass der Bund für Land und Gemeinden einspringt, muss sich niemand machen. Nach heftiger Kritik am Budgetkurs der Bundesregierung durch WIFO, IHS und den Fiskalrat hat Finanzminister Magnus Brunner mittlerweile sogar einen „blauen Brief“ der EU erhalten und die OECD macht sich im jüngsten Länderbericht Sorgen über die Schuldenentwicklung Österreichs. Kärnten wird also mit seinen finanziellen Problemen selbst fertig werden müssen, was in Zeiten schwacher Konjunktur und einer mit der Rezession kämpfenden Industrie nicht einfach wird. Doch was ist jetzt zu tun?

  • Einsicht zeigen: Es wird nicht reichen, sich für alle Zeiten hinter der Hypo-Katastrophe zu verstecken und die Fehlentwicklungen der jüngeren Vergangenheit zu ignorieren. Wie die Wirtschaft verkraften auch die öffentlichen Haushalte die im Zuge der inflationsgetriebenen Lohnrunden enorm gestiegenen Einkommen ihrer Bediensteten nicht mehr. Bildung und Gesundheit fressen Länder- und Gemeindebudgets auf, die Qualität sinkt in beiden Bereichen besorgniserregend. Weiterwursteln mit ein paar Abstrichen wird nicht reichen, um der sich abzeichnenden Katastrophe zu entgehen; neue, mutige, auch kompromisslose Ansätze sind nötig.
  • Tatkraft beweisen: Seit Jahrzehnten hört man die politischen Rufe nach Reformen und Einsparungen der öffentlichen Hände, passiert ist diesbezüglich nichts. Die Bürokratie nimmt gefühlt täglich zu, die Regelungsdichte steigt; jeder Politiker versucht, sich durch neue Ideen, Projekte, Wohltaten in das Gedächtnis der Wählerinnen und Wähler einzuprägen. Vor fast 20 Jahren präsentierte der Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler als Vorsitzender des Österreich-Konvents einen rund tausend Vorschläge umfassenden Reformplan, der zehn Jahre später als gescheitert bezeichnet und endgültig ad acta gelegt wurde. In diesem Verzeichnis der Vernunft würde man auf der Suche nach kluger Redimensionierung des Staates und der seit langem geforderten Entfesselung des Unternehmertums mit Sicherheit auch heute noch fündig. Der Landesrechnungshof nennt Schulzentren, Schwerpunktkrankenhäuser und Digitalisierung als Ansatzpunkte für Strukturreformen.
  • Zukunft zulassen: Die Inbetriebnahme des Koralmtunnels in eineinhalb Jahren ist ein Gamechanger für den Süden Österreichs, der bei Infrastrukturinvestitionen in den vergangenen Jahrzehnten im Vergleich mit dem Norden eher stiefmütterlich behandelt wurde. Die Vorteile der „AREA Süd“ bei Wirtschaftswachstum, internationaler Sichtbarkeit, Zuwanderung qualifizierter Mitarbeiter, Synergien bei Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Kooperationen in Verwaltung und Tourismus etc. werden sich aber nur realisieren lassen, wenn die Vorbereitung stimmt. Nimmt Kärnten bei Infrastruktur- und anderen Investitionen nicht richtig Geld (und Hirn) in die Hand, wird es im Wettbewerb mit der ohnehin gut aufgestellten und wirtschaftlich doppelt so großen Steiermark das Nachsehen haben. Daher ist es „alternativlos“, zentrale Projekte auszuarbeiten und Budgets für den neuen Wirtschaftsraum sicherzustellen – ungeachtet des sonst so notwendigen Sparkurses im Land. In dieser Situation an der AREA Süd zu sparen, hieße, an der Zukunft zu sparen.

M.U.T.letter

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