Von pfeifenden langsamen Modems bis zur exklusiven Auffahrt ins High-Speed-Internet – Kärntens Internet-Pionier Martin Zandonella war von Anfang an vorne dabei.
Dieser Tage hört er gar nicht mehr auf zu strahlen. Eines der größten und wichtigsten Projekte der heimischen Web-Community nimmt Formen an: der „Alpen-Hub“, wie ihn Martin Zandonella gerne nennt. Das technische Kürzel dafür lautet schlicht „ALPSiX“. Es geht um einen sogenannten Exchange-Knoten, wie es ihn bisher zumindest für Österreich nur in Wien gab. Der große Vorteil: Die digitalen Wege von und nach Kärnten werden dadurch deutlich kürzer. Daten müssen nicht mehr über Wien geschickt/„geroutet“ werden. Kärnten bekommt an der Kreuzung zweier der wichtigsten internationalen Datenhighways (Arelion und EXA Infra/TürkTelekom) eine direkte Auffahrt. Federführend ist hier die Breitband Infrastruktur Kärnten (BIK). Deren Geschäftsführer und Aufsichtsratsvorsitzende – Peter Schark und Christiane Holzinger – sowie der zuständige Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig haben das 6-Mio.-Euro-Projekt kürzlich gemeinsam mit Zandonella vorgestellt.
Für Kärntens IT-Branche ist das eine Riesen-Chance, zu wachsen. Nicht nur, dass neue Anbieter etwa von Data-Centern am Standort die bestmögliche Anbindung vorfinden werden, auch bestehende Unternehmen könnten mehr Rechenkapazität nach Kärnten verlegen. Bis dahin sind allerdings noch einige Details zu klären, weiß Zandonella. Um einen solchen Hub entsprechend ausfallsicher („redundant“) aufzustellen, braucht es noch einige Lückenschlüsse im schnellen Leitungsnetz zwischen Fürnitz und Grafenstein, wo Kärntens High-Tech-Zentren, der Technologiepark Villach bzw. der Klagenfurter Lakesidepark, angebunden werden. Und dann ist auch die Ausschreibung für die technische Umsetzung und den Betrieb eines so großen Projekts keine Kleinigkeit. Gut, dass im Hintergrund so erfahrene Spezialisten wie die beiden Kärntner Marco Brandstätter und Bernd Spieß zwar nicht die Kabel aber doch die Fäden ziehen. Beide haben große Erfahrung bei der Umsetzung ähnlicher Hubs im arabischen und afrikanischen Raum gesammelt, verrät Zandonella.
Rechenzentren brauchen viel Energie
Die Bedeutung eines solchen Hubs kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der Datenhunger und der Bedarf nach neuen Rechenzentren ist mit der Kommerzialisierung von Künstlicher Intelligenz weltweit geradezu explodiert. Gerade haben in den USA die Branchenriesen Open AI, SoftBank, Oracle und MGX via Präsident Donald Trump das 500 Mrd. Dollar schwere Projekt „Stargate“ angekündigt, um KI-Infrastruktur massiv auszubauen. Das umfasst Rechenzentren aber genauso die gewaltigen Kapazitäten an Energie, die dafür nötig sind. Microsoft etwa will ab 2028 sogar exklusiv Strom aus dem wegen eines schweren Unfalls und einer partiellen Kernschmelze 1979 zu trauriger Berühmtheit gelangten Atomkraftwerk von Three Mile Island in Pennsylvania beziehen.
Die Tageszeitung „Der Standard“ hat im November 2024 eine Studie des Marktforschungsinstituts Gartner zitiert, die davon ausgeht, dass sich der Bedarf an elektrischem Strom von Rechenzentren für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz zwischen 2023 und 2027 weltweit um das 2,6-fache auf 500 Terawattstunden erhöhen wird. Gartner vermutet außerdem, dass es in den dafür nötigen Hyperscale-Rechenzentren immer öfter zu Energieversorgungsproblemen kommen werde. Nachzulesen ist das hier
ALPSiX zum richtigen Zeitpunkt
Insofern kommt das Kärntner ALPSiX-Projekt genau zum richtigen Zeitpunkt. Große Rechenzentren wie das in Paris sind zwar auch nach Etablierung des neuen Exchange-Knotens in Kärnten unrealistisch, so Zandonella, aber mittlere wie etwa rund um den Exchange-Knoten in Marseille sind jedenfalls vorstellbar. Auch das wäre schon ein Riesenerfolg und würde dem Bundesland eine Sonderstellung im Alpen-Adria-Raum verschaffen. Vorausgesetzt Kärnten stellt sich auf den in allen Bereichen steigenden Strombedarf ein.
Aber wie passt das zu einer Volksbefragung in grenzwertig suggestiver Formulierung, bei der etwas mehr als ein Drittel des Kärntner Wahlvolks knapp mehrheitlich in ein verfassungsrechtlich höchst bedenkliches Ausbauverbot der Windkraft gestolpert ist? Oder dem sich bereits zahlreich gegen den Lückenschluss im 380-Kilovolt-Hochspannungsnetz formierenden Widerstand auf Kärntner Boden? Die konsequente Elektrifizierung der Energieversorgung geht laut dem Österreichischen Netzinfrastrukturplan nicht nur mit einer Verdoppelung des Stromverbrauchs bis 2040 einher, sie ist auch Grundvoraussetzung für die den Wohlstand sichernde moderne IT-Industrie.
Zandonella beruhigt im übrigen, was den Stromverbrauch eines allenfalls im Umfeld von ALPSiX zu errichtenden Rechenzentrums anbelangt. Dazu bräuchte man den elektrischen Strom eines größeren Windrads. Platziert man dieses Rechenzentrum noch entsprechend geschickt, dann ließe sich natürlich auch mit der Abwärme einiges anfangen. Außerdem führt Zandonella die Effizienzsteigerung beim Datentransfer positiv ins Treffen. Da ist der zu erwartende Anstieg beim Stromverbrauch durch die Elektrifizierung vieler industrieller Prozesse jedenfalls bedeutend höher.
Wegbereiter ins Internet
Vor dreißig Jahren, als Martin Zandonella sein Unternehmen Net4You, Österreichs inzwischen ältesten Internet-Service-Provider, gründete, wehte noch buchstäblich ein anderer Wind im Land. Hoch motiviert und technikaffin brachen Kärntens Wirtschaft und damals noch deutlich jüngere Bevölkerung in den 90ern des vorigen Jahrhunderts mit ihren polyphon pfeifenden Modems ins weltweite Netz auf. Der Spartenobmann für Information und Consulting in der WK Kärnten (seit 2007!) war mit seinem Unternehmen einer der Wegbereiter dahin. Dieses Geschäft deckt inzwischen allerdings nur noch 20 Prozent des Umsatzes ab. „Zum Glück“, wie er heute resümiert. Wer sich ausschließlich darauf fokussiert hat, der ist von all den großen Platzhirschen wie A1, Magenta & Co längst vom Markt gefegt worden.
Vom Internetanbieter zum Managed Services Innovator
Dabei sei Net4You ursprünglich nicht ganz freiwillig in neue Geschäftsfelder wie die sogenannten „Managed Services“ gerutscht, räumt Zandonella offen ein. Kurz vor der Jahrtausendwende sei nämlich ein großer amerikanischer Investor bei ihm eingestiegen. Der habe verlangt, dass Net4You nicht nur Internetverbindungen anbietet, sondern sich etwa auch um IT-Security-Lösungen wie Firewalls kümmert. Ausgelagerte IT-Dienstleistungen also, für die im bunt gemischten internationalen Bauchladen der Amerikaner damals ein französischer Partner zuständig war. Ganz einfach war die Zusammenarbeit nicht, so Zandonella, aber man habe dort jedenfalls gelernt, wie man stabile Prozesse aufsetzt. Als sich der Investor nach dem Platzen der berüchtigten weltweiten Dotcom-Blase hoffnungslos überbewerteter Internetunternehmen an den internationalen Technologiebörsen wieder verabschiedet hatte, kaufte Zandonella die Anteile am eigenen Unternehmen überraschend günstig wieder zurück.
Die Geschäftsphilosophie wandelte sich grundlegend, weil immer mehr Unternehmen den sicheren Betrieb ihrer IT-Systeme an externe Dienstleister wie eben Net4You auslagerten. Das betrifft die Abwehr von Cyber-Angriffen genauso wie das Management der IT-Infrastruktur, die laufende Aktualisierung der Betriebssysteme oder die Bereitstellung von Speicherplatz in der „Private Cloud“. Kunden betreut man mit den insgesamt 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern inzwischen vom Tourismus über Institutionen wie die Landwirtschaftskammer bis zu Produktionsbetrieben wie die Kärntner Milch – rund um die Uhr. Denn noch nie waren IT-Systeme so gefährdet wie heute. Zahl und Geschwindigkeit der Angriffe haben sich potenziert. Die Tools dafür kann man sich inzwischen quasi von der Stange im Darknet besorgen.
Erfolgreicher Interessenvertreter
Über zu geringe Arbeitsbelastung konnte sich Zandonella also kaum je beschweren. Die 60-Stunden-Wochen sind ihm zur „lieben“ Gewohnheit geworden. Warum hat er sich dann zusätzlich noch den Job als Interessenvertreter in der Wirtschaftskammer angetan? „Ich habe das von Anfang an als mein Hobby gesehen“, antwortet er nach kurzem Nachdenken, um gleich anzuschließen: „Ich bin noch aus jedem Gespräch mit mehr Energie herausgekommen als ich beim Hineingehen hatte.“ So kann man sich das offenbar auch schönreden.
Seit über zehn Jahren leitet er nun auch bundesweit das Verhandlungsteam für die Kollektivverträge seiner Branche. Das fällt ihm bei seinen größten Erfolgen als Interessenvertreter zuerst ein: „Wir haben immer relativ vernünftige Abschlüsse erreicht“, kommentiert er dieses über Jahrzehnte zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite erprobte Instrument der Steuerung der Lohn- und Gehaltsentwicklung für die Branchen. Auf Kärntner Ebene hat er sich in vielen Bereichen engagiert: beim erfolgreichen Weiterbildungszentrum „Makerspace Carinthia“, als Kuratoriumsvorsitzender beim Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds KWF, in der Breitbandinitiative Kärnten oder beim Software-Internetcluster SIC, um nur einige wenige zu nennen. Was seine Familie (Frau und drei Kinder) dazu sagt, lässt er zunächst unkommentiert, um wenig später doch etwas preiszugeben: „Fünf Wochen Urlaub im Jahr sind mir heilig – sind uns heilig. Vielleicht bin ich deshalb noch nicht umgefallen“, schiebt er entwaffnend ehrlich hinterher.