Kärntens Industrie ruft Alarmstufe Rot aus

Aktuelle Medienberichte nach einem Pressegespräch der Industriellenvereinigung erwecken den Eindruck, Kärntens Industrie habe in Sachen Wirtschaftskrise das Schlimmste hinter sich. Industriespartenobmann Velmeden teilt den Optimismus nicht: Nach den jüngsten Einbrüchen ist die Industrieproduktion 2024 um weitere 6,2 Prozent gesunken, österreichweit gab es um 128 Milliarden Euro weniger neue Fertigungsaufträge als noch im Jahr zuvor.

Da helfen auch politische Beschwörungsformeln und kosmetische Maßnahmen wie eine Bagatellgrenze für Papierbelege nicht: Die Industrieproduktion bricht weiter massiv ein. Energie- und Personalkosten sind zu hoch, um im globalen Wettbewerb mithalten zu können. Die behäbige Bürokratie erstickt verlässlich die letzte Chance auf unternehmerische Flexibilität und antizyklische Strategie. Jetzt stehen Arbeitsplätze und Wohlstand auf dem Spiel. Der soeben samt seinem Team in seiner Funktion bestätigte Industriespartenobmann Michael Velmeden schlägt Alarm und will sich weiter für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Kärnten einsetzen.

Energieintensive Branchen sacken ab

Das ist kein Zuckerschlecken, denn die Zahlen sind erschreckend, die Lage ist dramatisch in der Kärntner Industrie wie lange nicht: Nach den jüngsten Einbrüchen ist die Industrieproduktion 2024 um weitere 6,2 Prozent gesunken, das bedeutet österreichweit um 128 Milliarden Euro weniger neue Fertigungsaufträge als noch im Jahr zuvor. Besonders betroffen sind die Branchen Fahrzeugindustrie, Bergwerk und Stahl sowie die Elektro- und Elektronikindustrie. Die Krise trifft nicht zufällig die energieintensiven Branchen, die aufgrund der hohen Energiekosten nicht mehr kostendeckend arbeiten können. „Auch wir in Kärnten haben längst die Alarmstufe Rot erreicht“, sagt Michael Velmeden, CEO der Klagenfurter cms electronics und soeben als Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Kärnten wiedergewählt. Ihm zur Seite steht ein erfahrenes Führungsteam mit Robert Kanduth (GREENoneTEC), Josef Pacher (DOLOMIT Eberstein NEUPER GmbH) und Reinhard Draxler (Kärnten Netz) als Stellvertretern.

Kostensenkung oder Deindustrialisierung

Kärntens Industrie ruft Alarmstufe Rot aus
SO Michael Velmeden

Velmeden ist verbindlich im Ton, aber hart in der Sache: „Die aktuelle Situation ist wirklich besorgniserregend. Die Angst vor Deindustrialisierung, Beschäftigungsabbau und weiteren Produktionseinbußen ist berechtigt. Mit Maßnahmen seitens der Politik könnte diese Entwicklung aber eingebremst werden.“ Die hohen Energiepreise, überbordende Bürokratie und steigende Lohnkosten ließen den Betrieben keinen Spielraum mehr. „Das muss jetzt auch bei den Kollektivvertragsverhandlungen und der Gewerkschaft zum Tragen kommen. Nur eine starke Wirtschaft schafft Stabilität und kann das Bilanzdefizit der Regierung in die Schranken weisen. Aber dafür brauchen wir konkurrenzfähige Lohnstückkosten, um am globalen Markt eine Chance zu haben“, appelliert Velmeden an die Einsicht von Politik und Gewerkschaften.

Arbeitsmarkt in Gefahr

„Steigen die Kosten weiter, werden Industriebetriebe abwandern und Arbeitsplätze gestrichen. Unsere Betriebe tun alles dafür, um den Mitarbeiterstand zu halten, aber die Situation darf sich durch die Kosten nicht weiter verschlimmern.“ Im Vorjahr sicherte die Kärntner Industrie über 115.000 Arbeitsplätze im Bundesland im industriellen und industrienahen Dienstleistungsbereich. „Das bedeutet, dass jeder zweite Arbeitsplatz in Kärnten von der Industrie abhängt“, mahnt Velmeden. Für Wohlstand und Wertschöpfung brauche es nun schnelle Lösungen. Die Kostennachteile in Österreich seien für die Betriebe nicht mehr tragbar.

Kärnten auf dem globalen Prüfstand

Nicht nur die hausgemachten österreichischen Probleme, auch die neuen US-Zölle treffen die Industrie hart. Und das nicht nur direkt, sondern auch indirekt durch US-Zölle gegen andere Handelspartner wie Mexiko, Kanada, China oder Japan: Der Außenhandel ist stark zurückgegangen, österreichweit gab es 10 Milliarden Euro weniger Export. Die Industrie steckt im dritten Jahr in der Rezension – und für 2025 ist keine Verbesserung in Sicht.

Kärntens Industrie ruft Alarmstufe Rot aus
Kärntens Industrie-Vertreter schlagen Alarm. Erste Reihe von links nach rechts: Peter Schwei (Omya), Reinhard Draxler (KELAG), SO StV Josef Pacher (Dolomit Eberstein Neuper GmbH), SO Michael Velmeden, Elisabeth Goerner (Goerner Packaging GmbH), Claudia Mischenksy (IV Kärnten), Jörg Eisenschmied (Infineon Austria GmbH), Präsident Jürgen Mandl.
Zweite Reihe von links nach rechts: Paul Sommeregger (Industrieanlagenbau GmbH), Sparten GF Alexander Kuess (WK Kärnten), Berhard Auer (Alpacem Zement Austria GmbH), Franz Christian Berger (Hasslacher Werke), Christoph Stock (Veitsch Radex GmbH&Co KG), Martin Kropfitsch (Kärntner Mühle Kropfitsch), Johann Gregor Offner (Offner Holzindustrie GmbH), Rafael Auer (Ecobat Resources Austria GmbH), Adolf Melcher (KELAG Energie&Wärme GmbH). Foto: WKK/Helge Bauer

Zölle, Energie, EU-Bürokratie

Immer häufiger stellt die Politik Industriebetriebe vor neue Herausforderungen. So beschäftigt aktuell einige Kärntner Betriebe das geplante EU-Verbot von per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS genannt. Unter diesem Begriff werden mehr als 10.000 Chemikalien zusammengefasst, die pauschal verboten werden sollen. Zum einen kommen diese in Kosmetik, Kleidung oder Gebrauchsgegenständen vor, zum anderen werden bestimmte PFAS in der Industrie für technische Prozesse gebraucht wie für die Herstellung von Halbleitern, Brennstoffzellen oder Lithium-Ionen-Batterien. „Als Industrie lehnen wir ein pauschales Verbot strikt ab. Es muss hier stärker differenziert werden. Jene PFAS, die wir in der Industrie einsetzen, sind chemisch stabil. Ein Verbot macht keinen Sinn. Insbesondere weil es für bestimmte PFAS einfach keine Alternativen gibt und anders nicht produziert werden könnte“, klärt Velmeden auf.

AREA Süd als Chance für den Industriestandort

Mit der Koralmbahn verschmelzen Kärnten und die Steiermark zum zweitgrößten Wirtschaftsraum Österreichs. „Die AREA Süd ist für die Industrie eine Jahrhundertchance. Wir werden alles daransetzen, dass der Standort wieder Fahrt aufnimmt. Wenn die Politik jetzt die Weichen richtig stellt, könnten wir in Europa bald eine bedeutende Rolle spielen. Jetzt ist die Zeit für schnelle Lösungen, umfassende Entlastungen und mutige Entscheidungen gekommen. So wie bisher können wir nicht weitermachen“, warnt Velmeden.

Generationenwerk nicht zerstören!

Als Industriestandort ist Kärnten unter anderem stark in Forschung, Entwicklung und Ausbildung. „Unsere Industriebetriebe zeichnen sich durch Pioniergeist und Innovationskraft aus. Diese kann sich allerdings nur entfalten, wenn es dazu auch die entsprechenden Rahmenbedingungen gibt. Kärnten hat bereits genug an Wirtschaftsleistung, Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung eingebüßt. Von den letzten 24 Monaten waren 23 Monate in der Industrieproduktion rückläufig“. Wirksame Maßnahmen gegen den Negativtrend sind für den Industriesprecher eine Eindämmung der Strom- und Energiekosten, der Lohnnebenkosten sowie die schnellere Verfahrensabwicklungen und der Bürokratieabbau zum Beispiel durch Digitalisierung. Auch CO2-Kostenentlastung für Exporte, Unabhängigkeit bei Gasimporten und die Wiedereinführung von Kurzarbeit sind Forderungen an die Politik. Velmedens flammender Appell an die politischen Entscheidungsträger: „Was über Generationen aufgebaut wurde, darf nicht zerstört werden!“

Fotos: WKK/Helge Bauer

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