„Kärnten am Scheideweg“: Was Mandl jetzt fordert

Nur Entschlossenheit und Aufbruchstimmung können den Verlust von Wertschöpfung und Wohlstand aufhalten, warnt Wirtschaftsbundobmann Präsident Jürgen Mandl.

Veränderte Rahmenbedingung für Unternehmen, gesellschaftliche Trends und die regionalen Versäumnisse der Vergangenheit sind die Zutaten eines Konjunkturcocktails, der dem Wirtschafts- und Lebensstandort Kärnten so gar nicht schmecken will. Am Rosenmontag beriet daher Wirtschaftsbund-Landesobmann und WK-Präsident Jürgen Mandl mit seinen Spartenobleuten über den Zustand der Kärntner Wirtschaft. Die Diagnose ist ernüchternd, die Prognose aber positiv. „Wir müssen mit deutlich größerer Entschlossenheit den Wandel gestalten, um den bereits spürbaren Verlust von Wirtschaft, Wertschöpfung und Wohlstand in verkraftbaren Grenzen zu halten.“ So lautet einer der Therapievorschläge Mandls, der sich in etwas mehr als einer Woche der Wiederwahl als Kammerpräsident stellt: Am 12. und 13. März 2025 haben in Kärnten 38.670 Wahlberechtigte die Möglichkeit, persönlich in einem von 47 Wahllokalen oder per Wahlkarte in ihrer jeweiligen Fachorganisation bzw. bei mehreren Gewerben in ihren Fachorganisationen (Fachgruppe, Innung, Gremium) zu wählen.

Export schwächelt

Keine einfache Wahl, findet sie doch im Windschatten der fünfmonatigen Regierungssuche und unter dem Eindruck einer seit Jahren andauernden Rezession statt. So steckt nicht nur Deutschland, mit mehr als 50 Prozent aller Warenlieferungen der Kärntner Hauptexportmarkt, seit Jahren in der Krise, sondern auch Italien und Slowenien schwächeln, wie die Nachfrage in Europa insgesamt. Auch international hat Österreich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, Hauptursache sind laut Mandl die hohen Energie- und Arbeitskosten, verstärkt durch eine überbordende Bürokratie auf nationaler und EU-Ebene sowie eine völlig überzogene EU-Klima- und Umweltpolitik mit haarsträubenden und weltfremden Berichts-, Informations- und Kontrollpflichten. Dazu kommt die Trump-Präsidentschaft, die zunehmend auch Exporteure in die USA verunsichert. Mandl: „Es muss allen klar sein: Für einen kleinen Standort wie Kärnten ist der Export unverzichtbar.“

Dem Standort gehen Hände und Köpfe aus

Diese nachfrageseitige Bedrohung werde von gesellschaftlichen Entwicklungen verstärkt: Die Ausdünnung der arbeitsfähigen Bevölkerung zwischen 15 und 65 führe bereits jetzt zu einem Arbeits- und Fachkräftemangel und werde weiter zunehmen. Das Land Kärnten steuert durch eine auf Druck der WKK eigens geschaffene Arbeitskräfteagentur gegen, die im Ausland qualifiziertes Personal anwirbt. „Die immer stärker klaffende Lücke von 40.000 Arbeitskräften bis 2030 wird damit allein aber nicht zu füllen sein. Es muss uns also dringend etwas einfallen, sonst wird Kärnten ärmer – in einer Phase, in der die älter werdende Gesellschaft mehr Gesundheits-, Betreuungs- und Pflegeleistungen brauchen wird“, warnt Mandl. Erschwert werde die Situation durch den Teilzeitboom und das Streben nach Work-Life-Balance: „Dieser gesellschaftliche Trend verstärkt die Auswirkungen des demografischen Wandels zusätzlich. Daher brauchen wir mehr Anreize, zum Beispiel steuerlich begünstigte Mehr- und Längerarbeit bei Überstunden und Pensionisten, was teilweise im Arbeitsprogramm der neuen Bundesregierung vorgesehen ist, ebenso wie die Ausweitung der Rot-Weiß-Rot-Karte.“

Versäumnisse erschweren die Lage

„Kärnten steht am Scheideweg“: Was Mandl jetzt fordert
Jürgen Mandl betont die Notwendigkeit einer schnellen Anpassung, um Kärntens Wirtschaft und Wohlstand zu sichern. Foto: Peter Just

Die Bestandsaufnahme der Wirtschaft ist allerdings auch geprägt von selbstgemachten Versäumnissen der Vergangenheit. Das wird etwa im Tourismus sichtbar, der sich in einer tiefgreifenden Strukturreform befindet, aber auch die Industrie hat bei Energie und Arbeitskosten mit gravierenden Nachteilen zu kämpfen. Eine zusätzliche Belastung für die regionale Wirtschaft ist die Budgetsituation im Land, in der Landeshauptstadt und den Gemeinden, aber auch die zögerliche Umsetzung von Energiewende und Netzausbau. Mandl mit Blick auf die jüngste Windkraft-Volksbefragung in Kärnten: „Wir schaffen es leider nicht, drängende Entscheidungen auf eine pragmatische Diskussion herunterzubrechen.“

Jahrhundertchance Koralmbahn

Doch genau das wird notwendig sein, um die Möglichkeiten zu nutzen, die dem Wirtschaftsstandort Kärnten offenstehen. Ganz oben steht die Jahrhundertchance Koralmbahn, die einen neuen Wirtschaftsraum in Südösterreich – im weiteren Sinne von der Adria bis an die Ostsee – schaffen wird. Denn Kärnten habe, so Mandl, den enormen Standortvorteil, gleich an zwei der elf europäischen Bahnkorridore zu liegen, an der Baltisch-Adriatischen Achse und der Westbalkanstrecke. Das setze allerdings den Ausbau des Logistik-Centers Austria Süd in Fürnitz ebenso voraus wie die Schaffung von Mobilitätslösungen, um die Wirkung der neuen Bahnachse auch in die dezentralen Regionen zu verteilen. Diese Schwierigkeit zeige sich besonders am Beispiel Klagenfurt, betonte Mandl: „Ausgerechnet die Landeshauptstadt glaubt offenbar, gar nichts tun zu müssen, um sich auf die Koralmbahn vorzubereiten.“

Schluss mit Schikanen!

Ein weiteres ungelöstes Problem ist die Bürokratie: 80 bis zur konkreten Formulierung in Gesetzestexten und Verordnungen ausgearbeitete Vorschläge hat die Wirtschaftskammer dem Land Kärnten im vergangenen Jahr vorgelegt, nichts davon sei bisher auch nur ansatzweise umgesetzt. Mandl: „Mehr als es ihnen vorschreiben kann man bald nicht mehr.“ Mandl lobte allerdings auch die Kooperation mit Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig, mit dem er die Exportoffensive ausgebaut und aufgewertet habe: „Ein kleiner Standort muss in die Welt hinaus, wir brauchen eine stärkere Diversifikation der Märkte und Produkte.“

Regierungsprogramm: tendenziell positiv

Zum Arbeitsprogramm der am Rosenmontag angelobten Bundesregierung erklärte Mandl, die Wirtschaft sei grundsätzlich erleichtert, dass Österreich nach fünf Monaten wieder eine Bundesregierung habe. Das mit Spannung erwartete Wirtschaftsprogramm sei gekennzeichnet von der offenbar dramatischen Budgetsituation, die keine großen Würfe zulasse. Trotzdem gibt es erfreuliche Signale der wirtschaftlichen Vernunft, von denen ganz Österreich und auch die Unternehmerinnen und Unternehmer profitieren würden: So sei die Endbesteuerung von 25 Prozent für alle, die in der Pension noch weiterarbeiten wollen, ein Anreiz, ihr enormes Know-how länger in den Betrieb einzubringen und damit den Fachkräftemangel zu lindern. Höhere Freibeträge und Pauschalierungen, der Entbürokratisierungsbericht sowie die angekündigte Vereinfachung von Lohnverrechnung und Steuerrecht würden die Bürokratielast reduzieren.

Kärntner Vorschläge für die neue Bundesregierung

Erfreut zeigte sich Mandl darüber, dass es auch zwei Forderungen aus Kärnten ins Arbeitsprogramm der Bundesregierung geschafft haben: So sei Mandls Vorschlag zur Schaffung eines Staatssekretariats für Deregulierung umgesetzt worden und der Entfall der Belegerteilungspflicht unter 35 Euro, für den sich Mandl schon vor der Wirtschaftskammerwahl 2020 eingesetzt hatte.

Aufbruchstimmung statt Schockstarre

Mit Blick auf die Wirtschaftskammerwahl nächste Woche ließ Mandl die vergangenen Monate Revue passieren: Er habe seit dem Sommer knapp 1000 Betriebe besucht und viele Gespräche mit Unternehmerinnen und Unternehmern geführt. Einerseits sei er beeindruckt, mit welcher Tatkraft und welchem Unternehmergeist Wertschöpfung und Existenzen in den Regionen erhalten werden. Andererseits habe er aber auch ein klares Bild von den Folgen von Abwanderung, Infrastrukturproblemen und hausgemachten Versäumnissen gewonnen. Mandl appellierte beim Wirtschaftsgipfel auch an seine Unternehmerkollegen, ihr Schicksal wieder verstärkt in die eigenen Hände zu nehmen und nicht auf die Politik zu warten.

Kärnten habe immer noch gute Voraussetzungen: „Top Unternehmen, hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, einen funktionierenden Rechtsstaat, aktive Finanzinstitute, öffentliche Fördermöglichkeiten. Die AREA Süd öffnet uns neue unternehmerische Möglichkeiten weit über die Landesgrenzen hinaus, in den Alpen-Adria-Raum und weit bis in den wirtschaftlich aufstrebenden Osten Europas. Und sogar die Europäische Union hat den Ernst der Lage erkannt und setzt mit den Omnibus-Paketen, dem Clean Industrial Deal und dem Aktionsplan für leistbare Energie erste, wichtige Schritte. Also gehen wir es an!“

M.U.T.letter

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