„Ich bin genau da, wo ich hingehöre“

Aufgewachsen im unteren Gailtal, 10 Jahre Erfahrung im Bank- und Finanzwesen und viele glückliche Zufälle haben Anna Dermutz dahin geführt, wo sie heute ist: In die Landwirtschaft. Und mit „Die Storymanufaktur“ hinter die Kamera. Wie das geht? Durch Zufall würde sie sagen – wir haben die motivierte Unternehmerin zum Interview getroffen.

M.U.T.: Sie sind Landwirtin und selbstständige Fotografin. Wie kam es dazu und wie passt das zusammen?

Diese Kombi ist – wie so vieles in meinem Leben – durch Zufall geschehen. Ich habe meinen Partner bei meiner Arbeit in der Bank und gleichzeitig dann auch durch unsere gemeinsame Leidenschaft, das Singen, kennengelernt. Aus dem anfänglichen „gut verstehen“ wurde schnell mehr. Nur mit der Tatsache, dass ich dann nicht die einzige Frau in seinem Leben sein würde – Jakobs elterlicher Betrieb beherbergt nämlich einige Damen an Paarhufern. Es ist ein Milchviehbetrieb in Würmlach im oberen Gailtal und so kam dann auch die tägliche Stallroutine in mein Leben. 2021 haben wir den elterlichen Betrieb dann als „die nächste Generation“ übernommen und führen ihn seither. Die Kombination aus Landwirtin und Fotografin ist wirklich nicht alltäglich, aber spannend und vor allem auch sehr gut zu vereinen. In einem nine-to-five Job, der ein starres System lebt, sind spontane freie Tage schier unmöglich – jedoch in meiner selbstständigen Tätigkeit mit dem richtigen Zeitregister gut hinzubekommen. Das war einer der vielen Gründe, warum ich nach meiner Karenz nicht in die Bank zurückgegangen bin, sondern es auf „eigenen Füßen“ versucht habe: Um für meine Familie da zu sein, um verfügbar zu sein, wenn es schnell gehen muss und um die Urlaubspläne der KollegInnen nicht durcheinanderzubringen, wenn ich spontan für die Heuernte drei Tage frei bekommen muss.

Die Storymanufaktur: Anna Dermutz
Anna Dermutz fotografiert bei Business-Shootings, Hochzeiten und verschiedensten Events.

M.U.T.: Wie darf man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?

Da gibt es eigentlich keinen fixen Alltag. Am Morgen gibt’s ein gemeinsames Frühstück mit der Familie und dann startet auch schon meine tägliche Stallroutine. Wir sind ein Milchviehbetrieb, was bedeutet, wir liefern die Milch der Kärntner Milch ab bzw. wird sie mit einem großen Milchtank abgeholt. Also erstmal entmisten, Kühe füttern, melken, Kälber versorgen, Milchkühlung vorbereiten und zuletzt die Reinigungsarbeiten in der „Milchkammer“ (hier sind die ganzen Melkzeuger, die Waschung, der Milchtank, usw.) und natürlich das Einstreben damit die Damen auch jeden Tag frische Betten haben. Danach wird der Milchtank zur Milchsammelstelle gebracht. Dann kommt die Jause gemeinsam mit meinem Sohn und kurz den Tagesablauf mit der Familie durchgehen: Was steht heute an? Was wäre wichtig, zu erledigen? Was muss gezäunt, eingesät, umgebaut, gemäht etc. werden? Gleichzeitig gebe ich meine Shooting- oder Besprechungszeiten bekannt, damit es zu keinen Überschneidungen kommt. Wochenends bin ich oft beim Fotografieren von Hochzeiten oder anderen Events. Abends ab 17 Uhr ist dann auch schon wieder Stallzeit und danach Abendprogramm mit dem Bub, bis er dann ins Bett geht. Wenn er dann schläft, nutze ich meist noch die Zeit am Laptop.

M.U.T.: Selbstständig in zwei Bereichen und Mutter – woher kommt die Motivation, etwas „mehr“ zu leisten? Was spornt Sie an?

Ich bin absolut in die Sache reingewachsen. Am Anfang habe ich vieles nebenher gemacht. Das geht halt absolut nicht und da wusste ich ganz schnell, dass ich einen guten Plan brauche. Der erste Schritt war, die Omas ins Boot zu holen – also ob meine Mama und meine Schwiegermama sich jeweils einen Tag in der Woche für den Enkel nehmen würden und die haben sofort zugestimmt. Der nächste Schritt waren fixe Arbeitstage, damit ich auch gut vorausplanen kann. Nach und nach konnte ich meinen Arbeitsalltag optimieren und es gibt immer noch Verbesserungsbedarf. Planung ist bei mir das A und O, ohne funktioniert überhaupt nichts. Mein Partner und ich haben einen Familienkalender, wo wir alles eintragen – jedes Shooting, jede Versammlung, jede Wegsitzung und jede Hochzeit, wirklich alles. So kommt es nicht zu Überschneidungen. Meine Motivation ist die Tatsache, dass ich das, was ich so unglaublich liebe, als meine Selbstständigkeit ausführen darf. Die Stallarbeit ist so meine Kopf-frei-kriegen-Zeit. Da kann ich abschalten. Sowie auch beim Fotografieren ohne Auftrag, einfach so beim Spaziergang, auf den Berg zu gehen oder abends vorm Haus wenn die Sonne untergeht.

Die Storymanufaktur: Fotografin Anna Dermutz
Anna Dermutz liebt ihr Leben auf dem Land, hinter der Kamera und als Mutter.

M.U.T.: Welche positiven und welche negativen Aspekte bringt die Selbstständigkeit für Sie mit sich?

Es ist positiv, sich alles frei einteilen zu können. Es ist aber auch negativ, sich alles frei einteilen zu können (lacht). Ich verliere mich oft in meiner Selbstständigkeit, da ich jeden Tag fotografieren könnte und einfach überall am liebsten meine Kamera dabeihätte. Für mich ist es Beruf und Berufung in einem, ohne dass es mir jemals zu viel wird und ich keine Lust mehr auf Fotos habe. Manchmal vergesse ich dabei aber die Zeit und bin dann ganz in der Materie.

M.U.T. Was würden Sie sich für junge Selbstständige oder selbstständige Mütter wünschen?

Mehr Unterstützung und Anerkennung. Es ist kein leichter Weg, den sie eingeschlagen haben, und oft müssen sie sich durch zahlreiche Herausforderungen kämpfen. Und das ist jetzt kein Klischeesatz, sondern die Wahrheit. Es wird viel von uns erwartet und irgendwie doch nicht, denn wir machen „alles so toll“ und trotzdem wirkt es oft, als wäre es so selbstverständlich, dass wir alles managen, organisieren, machen und tun. Wenn ich jetzt allein von meinem Tagesablauf ausgehe, dann mache ich drei Jobs täglich und reihe mich selbst eigentlich immer hinten an. Jede Frau, die Selbstständigkeit, Familie und Co. unter einen Hut bekommt, ist einfach großartig.

M.U.T.: Wo sehen Sie sich selbst in fünf Jahren?

Ehrlich? Genau da wo ich jetzt bin – mit meinem Herzensbauer an meiner Seite, unserem Bub und unserem tollen Hof. Die Fotografie die mich täglich begleitet und ganz viel Liebe, die in der Luft liegt. Mehr will ich garnicht. Ich liebe es so sehr, wie es jetzt ist und möchte mir keine utopischen Zukunftsvisionen ausdenken. Ich bin genau da, wo ich hin gehöre.

 

Fotocredit: Die Storymanufaktur

M.U.T.letter

Wissen, was die Kärntner Wirtschaft bewegt:

Das könnte Sie auch interessieren