Barbara Wiesler-Hofer: „Finanzielle Bildung muss schon an den Schulen gelehrt werden!“

Als Vorstandsmitglied des Managementclub Kärnten engagiert sich Barbara Wiesler-Hofer für die Entwicklung von Führungsqualitäten bei Kärntner Unternehmen. Beim KSV1870 leitet sie seit vielen Jahren die Niederlassung in Klagenfurt. In unserem M.U.T.-Gespräch klärt sie auf, wie unternehmerisches Scheitern verhindert werden kann, wenn frühzeitig auf fachliche Aufklärung und finanzielle Bildung gesetzt wird.

M.U.T.: Vorbeugen ist besser als sanieren! Gibt es ein „Finanz-Fitnessprogramm“, um sich rechtzeitig auf wirtschaftliche Herausforderungen im Unternehmertum vorzubereiten?

Barbara Wiesler-Hofer: Es gibt sicher nicht das eine „Fitnessproramm“. Denn durch die vielfältigen unternehmerischen Möglichkeiten steigen auch die Anforderungen an so ein Programm. Es gibt aber sehr viele Angebote und Services, die Unternehmen in Anspruch nehmen sollten. Sei es seitens des Wirtschaftsministeriums, der Wirtschaftskammern (auf Bundesebene und in den Landesorganisationen) oder auch vom KSV1870. Allen voran liegt es aber immer in der eigenen Verantwortung, sich rechtzeitig mit dem Thema Finanzen zu beschäftigen. Das muss in frühen Jahren beginnen, eigentlich im Schulalter. Ganz gleich ob man später unternehmerisch tätig wird oder nicht. Ein finanzielles Grundwissen ist die beste Vorsorge gegen wirtschaftliches Scheitern.

Scheitern kann vermieden werden, wenn man sich frühzeitig mit Finanzen beschäftigt.

Wer sich für das Unternehmertum entscheidet, muss wissen, wie der Markt funktioniert. Das geht nur in Eigeninitiative. Das wird einem niemand abnehmen. Seitens des KSV1870 stehen wir Unternehmern und Gründern vom ersten Moment an zur Seite. Wir haben z.B. in den ersten drei Jahren eine kostenlose Mitgliedschaft für Jungunternehmer. Viele unserer Services können zu reduzierten Beträgen oder überhaupt kostenlos in Anspruch genommen werden. Das beginnt bei der Begleitung zur Neukundenakquise, geht über Bonitätsauskünfte, einen Rechtsanwaltsservice bis zum Mahnservice für Kunden-Rechnungen, um die eigene Liquidität nicht zu gefährden. Ein Scheitern in der Wirtschaft kann oft vermieden werden, wenn sich Unternehmen proaktiv und frühzeitig – also schon in der Gründungsphase – mit ihrer „finanziellen Gesundheit“ auseinandersetzen.

Das Scheitern wird in Österreich immer noch stigmatisiert. Passt das nicht zu unserer Kultur? Warum ist es in Österreich nicht chic, über Geld zu sprechen?

Da steckt die Antwort schon fast in der Frage: In Österreich, aber auch in vielen anderen Ländern in Europa, ist das Scheitern bzw. wie mit dem Scheitern umgegangen wird, eine Kulturfrage. Das ist historisch gewachsen. Scheitern wird immer noch als Niederlage eingestuft und niemals als Chance. Und wahrscheinlich ist es im ersten Moment auch tatsächlich eine Niederlage. Aber die Frage ist vielmehr, wie mit einer solchen Niederlage umgegangen wird und welche Lehren man daraus zieht. Aus diesem Blickwinkel gesehen ist Scheitern nicht das Ende, sondern Teil eines Prozesses.

„Ich setze mich sehr stark dafür ein, dass eine finanzielle Grundausbildung schon in die Lehrpläne der Schulen Einzug finden muss." (Foto: Studiohorst)
„Ich setze mich sehr stark dafür ein, dass eine finanzielle Grundausbildung schon in die Lehrpläne der Schulen Einzug finden muss.“ (Foto: Studiohorst)

Der Umgang damit ist z.B. in den USA ein anderer. Dort herrscht aber auch im Alltag eine andere Kultur und Philosophie. Zwei Punkte die wir aber übernehmen können. Erstens: Es gilt nach jeder Niederlage zu hinterfragen, welche Erfahrungen nehme ich daraus für mich mit? Woran hat es gelegen? Was kann ich beim nächsten Mal besser machen? Das erfordert den Mut zu einer schonungslosen Selbstanalyse.

Und zweitens geht es um eine realistische Selbsteinschätzung: Denn wenn ich öfters eine Niederlage kassiere und merke, dass keines meiner Vorhaben so wirklich ins Fliegen kommt, muss ich mir auch die Frage stellen, ob das Unternehmertum tatsächlich das richtige ist. Es ist keine Schande zu sagen: „… ich habe es probiert, aber es ist nichts für mich“. Wer will schon ständig Niederlagen einstecken?

Eine finanzielle Grundausbildung sollte in den Lehrplan der Schulen Einzug finden!

Und zum Thema „Sprechen über Geld“: Vielen von uns wurde schon in frühen Jahren gesagt, dass „man nicht sagt, wie viel Geld man zur Verfügung hat“ oder „wie hoch das Gehalt, der Lohn ist“. Das hat viel mit unserer Neidgesellschaft zu tun. Und nicht nur bei Geld und Finanzen. Das „ständige vergleichen müssen“ trägt viel dazu bei. Das beginnt sehr früh in der Schule und wird durch Soziale Medien befeuert. Darum setze ich mich sehr stark dafür ein, dass eine finanzielle Grundausbildung schon in die Lehrpläne der Schulen Einzug finden muss. Dabei sollten Lehrkräfte entsprechend unterstützt werden. Zu begrüßen sind alle Initiativen, die dazu gesetzt werden. Egal ob von öffentlichen und halböffentlichen Institutionen, oder aber von Privaten, wie z.B. bei dem Projekt FLIP. Man kann nie früh genug damit beginnen, sich aktiv mit finanziellen Zusammenhängen zu beschäftigen. Hier wird die Basis für erfolgreiches Wirtschaften gelegt. Ganz gleich ob man das später beruflich oder privat braucht.

Machen wir einen Ausblick: Ist die prognostizierte Pleitewelle nach Corona eingetroffen oder verschleppt sich das noch? Welche Tipps möchtest du jenen geben, die eine erste leichte Schieflage verspüren?

Aus der Erfahrung wissen wir, dass sich ca. 70 % aller Unternehmen in Österreich im Rahmen des KSV1870 Ratings in den Risikoklassen mit eher geringem Risiko eines Zahlungsausfalls befinden. Daran hat sich auch in den vergangenen Jahren wenig geändert. Wir sehen aber auch gerade in den vergangenen Monaten, beginnend mit dem 4. Quartal 2023, dass die Zahl der Firmenpleiten überdurchschnittlich steigen. In Österreich hatten wir im 1. Quartal 2024 die höchste Zahl an Unternehmensinsolvenzen seit dem Jahr 2009. Das zeigt schon, dass die Rahmenbedingungen und Herausforderungen, mit denen die Unternehmen aktuell zu kämpfen haben, mehr werden. Das hat nicht nur mit der vergangenen Pandemie zu tun, sondern auch mit den Faktoren wie Inflation, Energiekosten, Preissteigerungen, sinkende Auftragslage, rückläufiger Konsum von Privathaushalten usw.

Dazu passen auch die aktuellen Zahlen unserer Austrian Business Check-Umfrage, vom März 2024: Generell ist die Zufriedenheit mit der eigenen Geschäftslage um vier Prozentpunkte gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gesunken. Aktuell bewerten 50 Prozent der Betriebe diese mit „sehr gut“ oder „gut“. Hinzu kommen vielerorts rückläufige Umsätze, die sich auch im Jahresverlauf eher nicht wesentlich verbessern werden. Ähnliches gilt für die Prognose hinsichtlich der Geschäftslage: Nur ein Viertel der 1.200 befragten Unternehmen gehen davon aus, dass sich diese bis Jahresende bessert.

Unabhängig davon, ob in (leichter) Schieflage oder nicht: Ein konsequentes Kosten- und Risikomanagement braucht es aktuell mehr denn je. Eine genaue Planung und eine laufende Kosten-Kontrolle. Keine Harakiri-Aktionen und auch den Mut haben zu investieren, wenn es die Gelegenheit dazu gibt und es finanziell realistisch ist. Denn es wird wieder die Zeit kommen, wo es aufwärts geht. Da sollte man dann vorne mit dabei sein. Und wenn tatsächlich was schief geht, so früh wie möglich reagieren und Spezialisten aufsuchen. Denn den „Kopf-in-den-Sand“ zu stecken ist die schlechteste, von allen möglichen Alternativen und Möglichkeiten!

M.U.T.letter

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