Waren im Wert von 9,5 Milliarden Euro hat Kärnten im vergangenen Jahr exportiert, so viel wie noch nie. Aber auch der satte Handelsbilanzüberschuss von 1,1 Milliarden kann nicht über die Warnsignale für den Standort hinwegtäuschen.
Nur fünf österreichische Bundesländer exportieren mehr, als sie importieren: Oberösterreich, die Steiermark, Tirol, Vorarlberg und – seit vielen Jahren – Kärnten glänzen mit einer positiven Außenhandelsbilanz. 2023 ist es dem starken Süden gelungen, den Einbruch des Coronajahres 2022 auf 240 Millionen Euro auszubügeln und wieder mehr als eine Milliarde Überschuss zu erzielen. Dass der Export für den nur rund 500.000 Einwohner zählenden Wirtschafts- und Lebensstandort entscheidend ist, steht auch für die Kärntner Politik außer Frage. Doch nun ziehen über dem Wohlstandsmotor dunkle Wolken auf: Um fünf Prozent dürften die Ausfuhren in den ersten vier Monaten 2024 gesunken sein. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen.
- Deutschland steckt in der Krise. Sowohl bei den Importen als auch bei den Exporten ist Deutschland – trotz einer gelungenen Diversifikationsstrategie im Rahmen der Kärntner Exportoffensive in den vergangenen Jahren – mit großem Abstand der wichtigste Handelspartner der Kärntner Unternehmen. Mit einem Plus von 0,8 Prozent wuchsen die Exporte zum deutschen Nachbarn allerdings nur mehr leicht. Mittlerweile dürfte sich die Statistik im Rückwärtsgang befinden: Deutschland steckt in einer multiplen Krise fest, die Industrie kündigt Mitarbeiter und verlagert Investitionen. Das geht an der starken Zulieferindustrie in Österreich und Kärnten nicht spurlos vorüber, sogar im Tourismus lassen die deutschen Gäste bisher aus.
- Österreich preist sich aus dem Markt. Die hohen Lohnabschlüsse, die traditionell hohen Lohnnebenkosten, die wettbewerbsverzerrenden Energiepreise und der enorme Bürokratieaufwand haben die sensiblen Lohnstückkosten an die Spitze Europas getrieben. Wirtschaftsbundobmann Präsident Jürgen Mandl: „Der Standort Österreich und damit auch unsere Exportprodukte sind durch die hohen Löhne und die erdrückende Steuerlast teuer geworden. Die heimische Wirtschaft steht durch die sinkende Wettbewerbsfähigkeit massiv unter Druck. Die Politik ist trotz der bevorstehenden Wahlen dringend gefordert, die Rahmenbedingungen für die heimischen Wirtschaftstreibenden zu verbessern – Stichwort Bürokratieabbau und Abgabenbelastungen.“
- Unsicherheit lässt Investitionen schmelzen. Die Verunsicherung der Wirtschaft zeigt sich in den rapide sinkenden Investitionen, die aufgrund des schwachen Geschäfts entweder verschoben werden oder außerhalb Österreichs und Europas stattfinden. Das bereitet auch Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig zunehmend Sorgen: „Die Ergebnisse zeigen, dass wir als Standort vor noch größeren Herausforderungen stehen als jenen, die wir bereits durchschritten haben.“ Er verlangt daher eine „regulative Atempause. Die Betriebe können mit dem Mehr an Vorschriften nicht mehr Schritt halten.“
ESG: Trend-Radar verschafft Überblick
Allerdings kommt nach dem als „Bürokratiemonster“ umstrittenen Lieferkettengesetz und dem Renaturierungsgesetz schon die nächste Regulierungswelle auf die Betriebe zu. Doch hinter dem verdächtigen Kürzel „ESG“ (Environmental, Social and Corporate Governance) verbirgt sich neben einer Ausweitung von Berichtspflichten auch eine unternehmerische Chance, ist Verena Fink von der Fachhochschule Kärnten überzeugt, die im Rahmen der Exportoffensive von Wirtschaftsreferat und Wirtschaftskammer ein ESG-Handbuch verfasst hat: „Der ESG-Trend-Radar soll Führungskräften und Entscheidungsträgern in exportorientierten Unternehmen ermöglichen, sich rasch einen kompakten Überblick über wesentliche Trends, regulatorische Rahmenbedingungen und mögliche Handlungsinitiativen in den drei ESG-Feldern zu verschaffen. Damit werden Kärntner Unternehmen unterstützt, die zukünftigen Herausforderungen in diesem Bereich erfolgreich zu meistern und die damit verbundenen Chancen im internationalen Wettbewerb zu nutzen.“ Das Spektrum reicht dabei von Initiativen zur Gestaltung nachhaltiger Produktions- und Konsumpraktiken, der Verankerung von Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung über die Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Mitarbeitern bis hin zur erfolgreichen Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Kärnten Spitzenreiter bei „Green Economy“
Österreichs Umweltwirtschaft hat bereits im Jahr 2021 Bruttowertschöpfungseffekte von mehr als 18 Milliarden Euro ausgelöst, das entspricht fünf Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung. In Kärnten hat die Green Economy sogar einen fast doppelt so hohen Anteil von 9,5 Prozent an der regionalen Bruttowertschöpfung und ist damit Spitzenreiter unter den Bundesländern. Bei den Exporten in der Umweltwirtschaft liegt Kärnten mit einem Anteil von rund drei Milliarden Euro hinter Oberösterreich und der Steiermark an dritter Stelle und ist damit für ein Fünftel aller Umweltexporte Österreichs verantwortlich. Das geht aus dem Marktchancen-Bericht Green Economy hervor. Autor Albert Luger von der Fachhochschule Kärnten: „Die Umweltwirtschaft weist eine positive Wachstumsdynamik bei Beschäftigung und Wertschöpfung auf. Kärnten hat einen hohen Anteil an den österreichischen Gesamtexporten in diesem Bereich. Das deutet auf einen Schwerpunkt bei umweltbezogenen Industrien und Dienstleistungen hin.“
Gute Ausgangssituation
Für Kärnten ergeben sich daraus große Chancen: Die weltweiten Importe von Umweltgütern, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien und des Gewässerschutzes, sind in den vergangenen Jahren stark gewachsen, vor allem in hoch entwickelten Ländern bzw. großen Volkswirtschaften wie den USA, China und Deutschland. Diese Effekte lassen sich auch heute schon aus der Exportstatistik herauslesen, erklärt Wirtschaftskammerdirektor und Außenwirtschaftsexperte Meinrad Höfferer: „Die USA feierten 2023 mit einem Plus von 21 Prozent das Comeback des Jahres, mit China sind wir bei Im- und Exporten fast auf Augenhöhe und gegenüber Deutschland haben wir als eine von sehr wenigen Regionen weltweit einen Exportüberschuss.“