Gegen den Trend investiert Europas größter Hersteller von Balkonen gerade wieder 1,2 Mio. Euro in eine neue Maschine für den Rohr-Laserzuschnitt. Mitten in einer der schlimmsten Baukrisen peilen Markus und Roswitha Leeb heuer ein zweistelliges Umsatzwachstum an.
„Wir schlafen momentan sehr gut“, bestätigen die beiden im Gespräch in der Firmenzentrale von „Leeb Balkone“ in Gnesau, tief im Graben auf der Durchfahrt nach Bad Kleinkirchheim und auf die Turrach. Kaum zu glauben, dass ihr Unternehmen mittlerweile mehr als 50 Mio. Euro Umsatz pro Jahr macht und 210 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Der Löwenanteil im Stammwerk, 10 technische Zeichner aber auch am zweiten Kärntner Standort in Krumpendorf. Während einer der schlimmsten Baukrisen der letzten Jahrzehnte peilt man heuer ein zweistelliges Wachstum an.
In lockerer Doppelconference breiten die beiden ihre Unternehmensphilosophie für ihren hochmodernen Familienbetrieb aus, der dennoch schon seit fast 120 Jahren besteht. Irgendwann nach fast einer Stunde reden wir gerade darüber, wie schwierig es beim klassischen KMU sei, zwischen der Rolle des Managers und der des Unternehmers zu vermitteln. Und dann fällt sozusagen der Groschen: „Das Unternehmen muss so optimal geführt sein, dass es notfalls auch ohne uns funktioniert. Der Eigentümer oder Unternehmer darf nicht das größte Ausfallsrisiko darstellen“, betonen die beiden. Und obwohl sie das fast beiläufig sagen, sind sie dabei doch über den größten Schatten gesprungen, über den Familienunternehmer überhaupt springen können: Strukturen zu schaffen, die Leeb Balkone auch ohne Familienmitglieder in der Führung weiter bestehen lässt. „Wir wollen unseren Kindern nichts aufoktroyieren“, sind sich Roswitha und Markus einig.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Geschäftsführung erweitert
Aber vom möglichen Generationenwechsel wird ja noch länger nicht die Rede sein. Der ältere Sohn der Leebs ist gerade mal 15. Dafür steht eine Verbreiterung des Managements an. Seit dem Rückzug von Markus‘ Vater Franz vor mehr als einem Jahrzehnt sei dessen Position nie nachbesetzt worden, stellt Roswitha zwischendurch selbst überrascht fest. Deshalb wird heuer Alexander Ertl in die Geschäftsführung aufrücken und dort für Montage, Einkauf, Arbeitsvorbereitung und Konstruktion zuständig sein. Bei Roswitha bleiben die Agenden Kostenrechnung, Controlling und Personal, bei Markus Technik, Marketing/Vertrieb, IT und Produktion.
Das Unternehmen ist in eine Größenordnung gewachsen, die mehr Führungspersonal erfordert. Schließlich bildet man abgesehen von den Rohmaterialien die gesamte Wertschöpfungskette ab: von der Produktion über den Vertrieb bis zur Montage. Erzeugt werden Balkone, Terrassenüberdachungen und Zäune. 85 Prozent der Produktion gehen an private Kunden, 15 Prozent an gewerbliche. „Wir sind ein Tausendfüßler mit einem sehr breiten Produktportfolio“, bringt es Markus Leeb auf den Punkt. Es gibt in Kärnten wenige Industriebetriebe, die dem Endabnehmer so nahe sind wie Leeb Balkone.
Rund 100 selbstständige Vertriebspartner decken Österreich, die Nachbarländer Slowenien, Italien und Deutschland sowie darüber hinaus Frankreich ab. Vor Ort arbeitet man mit 40 einheimischen Montageteams. Das aufzubauen, war genauso wenig trivial wie es das ständige Einspielen von Innovationen ist. Sei es nun im Design oder in den Prozessen, an denen ständig gefeilt wird. Der nächste europäische Mitbewerber sei um den Faktor zehn kleiner, meint Markus. Unausgesprochen bleibt: Und das soll sich auch nicht ändern. „Wir stehen für schönes Design und gesicherte Qualität“, sagt Roswitha. Aber das ist offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs dessen, was der Kunde zu sehen bekommt.
Sanieren statt neu bauen
Neben der Nähe zum Kunden kommt dem Betrieb aber auch der Trend zum Sanieren entgegen. Mit den Terrassenüberdachungen und großzügigen Balkonanbauten gewinnt man Wohnraum und Lebensqualität zu überschaubaren Kosten. Die Leebs haben schon erkannt, dass sich immer weniger Menschen ein eigenes Haus leisten können und sich daher lieber in quasi „gepimpten“ Mehrfamilienhäusern einrichten – generationenübergreifend natürlich.
Die ständigen Verbesserungen und Effizienzsteigerungen im Betrieb haben natürlich ihren Preis. Im letzten Jahrzehnt hat Leeb Balkone im Schnitt jährlich rund 1,5 Mio. Euro investiert. Heuer kommt eine neue, 1,2 Mio. Euro teure Maschine für den Rohr-Laserzuschnitt dazu, die einzelne Arbeitsschritte auch selbständig z.B. in der Nacht absolvieren kann. Dazu ist eine Optimierung der Pulverbeschichtung für Metallteile geplant, die bisher das Nadelöhr in der Produktion war.
Ansonsten geht viel Hirnschmalz in Digitalisierungslösungen. Schon bisher waren Vertriebsleute in der Lage, den Kunden auf digitalen Endgeräten vorab Schaubilder ihrer neuen Balkone zu zeigen. Nun will man sich unter dem Projektnamen „digitales Aufmaß“ um den nahtlosen Datenfluss von der Bestandsaufnahme beim Kunden bis zur finalen Abrechnung kümmern, um Effizienzverluste an den Schnittstellen zu beseitigen. Auch KI-Potenziale sollen dabei ausgelotet werden, verraten die beiden. In solche Projekte ist fast immer die aus zwei Personen bestehende Entwicklungsabteilung involviert. Auch keine Selbstverständlichkeit bei einem Unternehmen dieser Größenordnung. Wenn dann noch Auszeichnungen wie ein Red Dot Design Award (einer der renommiertesten Designpreise weltweit) im Vorjahr für den neuen Solarbalkon dazukommen, freuen sich die beiden doppelt (Bericht hier).
Eine Frau, die anpacken kann
Danach befragt, wie sie sich eigentlich kennengelernt haben, lachen beide: „Ganz klassisch beim Studium in Graz.“ Roswithas Eltern hatten eine Landwirtschaft und vier Töchter, die schon von klein auf gewohnt waren, mitzuarbeiten, berichtet sie. Und er wirft ironisch lächelnd ein: „Eine Frau, die anpacken kann!“ Dazu eine Frau, die ihre Leidenschaft für die Betriebswirtschaft entdeckt hatte. Dabei war zu der Zeit noch lange nicht ausgemacht, dass sie einmal das Unternehmen von Markus‘ Vater übernehmen würden. Ihm waren die negativen Seiten des Unternehmerdaseins durchaus bewusst, wenn sein Vater etwa wieder einmal nicht mit auf Urlaub fahren konnte, weil er gerade im Betrieb gebraucht wurde. Andererseits wurde Markus in einigen Jahren als Angestellter auch bewusst, dass man als Unternehmer doch viel mehr Freiheiten in der Gestaltung hat. Obwohl das Paar dann in einer der schwierigsten Phasen des Familienunternehmens eingestiegen ist, hat es das nie bereut. Anfang der Nuller-Jahre hatte der Markt begonnen, sich komplett zu wandeln. Die regelmäßig aufwändig neu zu streichenden Holzbalkone wichen sukzessive solchen aus Metall. Leeb Balkone musste sich quasi über Nacht den neuen Kundenwünschen anpassen, produktionstechnisch alles neu lernen. Mit der Großinvestition einer Pulverbeschichtungsanlage waren dann 2008 die Weichen für die zukünftige Entwicklung gestellt.
Gegen alle Widrigkeiten
Jahrzehnte später ist es eine wahre Freude, zuzusehen, wie sich die beiden im Gespräch die Bälle zuwerfen. Mit Humor und einer gehörigen Portion Selbstironie kommentieren sie ihre unternehmerischen Entscheidungen. Sie lieben das gemeinsame Gestalten mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Schöne sei das direkte Feedback, so Markus: „Wenn man es gut macht, dann hat man die positiven Ergebnisse, wenn man es nicht so gut macht, dann hat man auch Ergebnisse.“ Über das Stadium von „Versuch und Irrtum“, wie es der österreichische Philosoph Karl Popper nennen würde, sind die beiden in ihrer hochprofessionellen Unternehmensführung allerdings weit hinaus.
Am Ende unseres Gesprächs werden Roswitha und Markus dann doch noch ziemlich nachdenklich. Die Rahmenbedingungen fürs Unternehmertum sind momentan alles andere als günstig: die hohen Lohnkosten, die Bedrohung des freien Handels, die überbordende Bürokratie! Umso mehr freuen wir uns, dass Unternehmen wie Leeb Balkone allen Widrigkeiten zum Trotz weiter wachsen.
Hauptsitz: Gnesau bei Feldkirchen
Produkte: Anbaubalkone, Balkongeländer, Terrassenüberdachungen und Zäune für private und gewerbliche Kunden
Hauptexportmärkte: Deutschland, Slowenien, Italien, Frankreich
Umsatz (2024): 50 Mio. Euro
Beschäftigte: 210