Elektromobilität auf der Bremse?

Teure E-Autos mit hohem Wertverlust, dazu die lästige Lade-Lotterie und immer noch unbefriedigende Reichweiten – die Nummerntafeln mit der grünen Beschriftung wurden zuletzt an immer weniger österreichische Fahrzeuge geschraubt.

Die Verzweiflung steht den Managern der Autokonzerne ins Gesicht geschrieben: Die so genannte Mobilitätswende von Verbrennern hin zu den E-Autos ist in einigen Ländern Europas massiv ins Stottern geraten: Von Jänner bis September 2024 sind die Zulassungszahlen etwa in Österreich gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahrs um 6,5 Prozent eingebrochen, meldet der Bundesverband der Elektromobilität Österreich. Könnte man das allein mit den Folgen der Wirtschaftskrise erklären, wäre den Chefetagen der Autofirmen wohler. Aber nein, die Benziner legten im gleichen Zeitraum um 6,5 Prozent zu, die Benzin-Elektro-Hybride sogar um 18,5 Prozent. Gerade bei Letzteren rümpfen die Experten die Nase: „Nicht Fisch und nicht Fleisch“, ist noch das Vornehmste was man über sie zu hören bekommt, vereinen sie doch einen kleinen Elektromotor mit kleiner, meist via Kabel und Stecker aufladbarer Batterie sowie geringer Reichweite mit einem kräftigen Benzinmotor, der für Autobahnperformance und solide Reichweite sorgt. Die Technologie ist erprobt und kommt beim kleinen Fiat 500 ebenso zum Einsatz wie beim riesigen BMW-SUV X5.

Elektromobilität auf der Bremse?

Die Probleme der Autohersteller löst sie aber nicht, stoßen ihre Fahrzeuge doch immer noch eine erkleckliche Menge an Treibhausgasen aus und drücken daher die so genannte Flottenemission nicht entscheidend. Von ihr wird es aber schon in sehr naher Zukunft abhängen, wie viel die Autohersteller an Strafen zahlen müssen. Und da wird es langsam eng. In der Periode von 2021 bis 2024 muss die Flottenemission auf 116 Gramm CO2/km gedrückt werden, in der nächsten von 2025 bis 2029 schon auf 94 und danach auf 50 Gramm. 2035 dürfen dann überhaupt keine CO2 emittierenden Autos mehr verkauft werden. Die von der EU verhängten Strafzahlungen sind erheblich. Bei beispielsweise fünf Gramm Überschreitung reden wir von 475 Euro pro in diesem Jahr verkauftem Auto. Das summiert sich schnell auf Milliarden. Verkaufserfolge bei den Verbrennern könnten für die Autofirmen also ergebnistechnisch wegen der Strafen schnell zum Boomerang werden. Sie sind quasi zum Erfolg ihrer E-Auto-Modelle verurteilt. Rabattschlachten sind in den nächsten Jahren also vorprogrammiert.

„Politisches Wunschdenken“

Günther Kerle hat Jahrzehnte von Klagenfurt aus die Geschicke des japanischen Autoherstellers Mazda in Österreich und Südosteuropa geleitet. Er ist auch nach seinem Ausscheiden weiter Vorsitzender des „Verbands der österreichischen Autoimporteure“ geblieben, der die Interessen der Automobilwirtschaft in Österreich vertritt. Für ihn ist der Einbruch der E-Auto-Zulassungen eine vorübergehende Delle. Die Zeit der „First Runner“ sei vorbei. Jetzt folge eine Phase der Ernüchterung. „Das Wunschdenken der Politik einer schnellen Transformation ist halt nicht eingetreten“, fasst es Kerle lakonisch zusammen.

Elektromobilität auf der Bremse?
Günther Kerle, Vorsitzender des Verbands der österreichischen Automobilimporteure. Foto: Roman Zach-Kielsling

Mit seinem rund 17 Prozent Anteil an allen verkauften Autos liege Österreich aber ohnehin im guten Mittelfeld Europas: weit entfernt von Vorreitern wie Norwegen oder Holland, aber doch auf Augenhöhe mit Deutschland oder Frankreich. Von südeuropäischen Ländern wie Italien oder Spanien gar nicht zu reden, wo der Marktanteil weiter im niedrigen einstelligen Prozentsatz dahindümpelt. Von Bella Italia kann Kerle übrigens ein Lied singen. Früher hatte seine Frau ein Elektroauto. Bis zur Ferienwohnung in Grado und zurück nach Klagenfurt hätte sie es damit nicht geschafft. Denn das wäre nötig gewesen, bedenke man die überschaubare italienische Ladeinfrastruktur. Jetzt steht folglich ihr neues Hybrid-Modell vor dem Haus.

Schnellladen im Vormarsch

Petra Hofmann ist bei der Kelag als „Leiterin Technische Lösungen“ für den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Kärnten zuständig. Der Energieversorger ist einer der großen Anbieter von öffentlichen Ladepunkten im Bundesland. Beim Schnellladen mit Gleichstrom („DC“ bis zu 300 kW) hat die Kelag in Kärnten einen Marktanteil von rund 25%, erläutert Hofmann. Beim Laden mit Wechselstrom („AC“ bis max. 22 kW) liegen die Stadtwerke Klagenfurt vorne. Mit seinen 1.564 öffentlichen Ladepunkten (laut Bundesverband Elektromobilität Österreich) ordnet sich Kärnten im Bundesländervergleich seiner Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft entsprechend an drittletzter Stelle vor Vorarlberg und Burgenland ein. Nachbar Salzburg verfügt über 2.328 Ladepunkte, Tirol überflügelt mit seinen 3.286 sogar Wien (2.794).

Elektromobilität auf der Bremse?
Petra Hofmann, bei der Kelag zuständig für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität. Foto: Kelag

Aber Hofmann betont, dass Österreich und auch Kärnten insgesamt stark aufhole. Alle CPOs, die neudeutsche Abkürzung für „Charge Point Operators“, also jene Unternehmen, die tatsächlich die Ladepunkte aufbauen und betreiben, sind fieberhaft auf der Suche nach Plätzen, wo gleichzeitig hohe Kundenfrequenz herrscht und die Anlagen errichtet werden können. Darüber hinaus nimmt die Kelag aber auch an einem Konsortium teil, dass bei Hofer- und Sparfilialen Schnellladepunkte installiert. Bis 2028 werden in diesem Bereich rund 20 Mio. Euro von der Kelag investiert werden.

Wallbox-Marktführer aus Kärnten

Für die so genannte Peripherie, also die entlegenen Täler, bringt das alles nichts. Da versucht die LADIN-Bundes-Förderung Anreize für den Ausbau in unterversorgten Gebieten zu schaffen. Eingereicht wird hier bei der FFG (Forschungsförderungsgesellschaft), die die Projekte prüft, reiht und dann vergibt. In den für Kärnten typischen Gegenden mit vielen Einfamilienhäusern ist ein positiver Business Case oft nicht darstellbar und da ist die LADIN-Förderung ein wichtiger Hebel. Perspektivisch haben die Häuselbauer ihre eigenen „Wallboxen“ installiert, die zum Teil auch aus eigenen Photovoltaikmodulen gespeist werden und daher konkurrenzlos günstiges Laden ermöglichen.

Die Wahrscheinlichkeit ist übrigens hoch, dass solche Wallboxen aus Kärntner Produktion kommen. Das Feldkirchner Unternehmen go-e ist hier schon Marktführer in Deutschland und Österreich. 32 Mio. Euro hat das 2015 gegründete Startup zuletzt mit seinen rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Jahr umgesetzt. Gefertigt wird ausschließlich in Feldkirchen, weitere Standorte befinden sich in Graz, Berlin und Stockholm. Geschäftsführerin Susanne Palli will go-e bis 2030 zum Marktführer bei Ladelösungen für E-Autos in ganz Europa machen, hat sie kürzlich der Kleinen Zeitung verraten.

Ärger über Ladestationen

Was die Nutzer von öffentlichen E-Ladestationen aber so richtig in Rage bringt, ist die Intransparenz bei Abrechnung und Kosten. Das funktioniert nämlich nicht – wie Günther Kerle erklärt – analog wie bei der klassischen Tankstelle, wo man schon von weitem die aktuellen Preise angeschrieben sieht. Da haben sich die erwähnten CPOs und die EMPs, die E-Mobility-Provider, für ein System entschieden, das fatal an die Urzeiten der Mobiltelefonie erinnert. Das berüchtigte Roaming, das unberechenbar hohe Kosten verursachte, wenn man unvorsichtig in fremden Netzen kommunizierte, kennen E-Autobesitzer sehr gut. Die meisten Tüftler haben schon etliche Lade-Karten für die wichtigsten Anbieter in der Tasche. Für weniger Beschlagene gleicht der Ladevorgang einer Lotterie, die schnell einmal den doppelten Preis von dem auswerfen kann, was man im Heimnetz zahlt. Kerle ruft hier dringend nach Regulierung und Preistransparenz.

Auch Petra Hofmann kann die Unzufriedenheit der Kunden teilweise nachvollziehen. Sie verweist auf die Möglichkeit der Abrechnung nach kWh, die an Kelag Ladestationen schon durchgängig umgesetzt ist und eine erst Ende September vom Klimaministerium herausgegebene Ladepunkt-Daten-Verordnung, die die Betreiber dazu zwingen wird, aktuelle Verfügbarkeit, Adhoc-Preis beim Ladevorgang ohne Vertrag oder Lade-Karte in Euro pro Kilowattstunde, Infos zu Ladeleistung, Service-Telefonnummer und Öffnungszeiten auszuweisen. Bis das in ganz Europa umgesetzt ist, wird es allerdings noch dauern.

E-Autos sind Firmenautos

Kein Wunder, dass derzeit die meisten E-Autos Firmenautos sind. Das reicht von 75 Prozent im Burgenland bis zu fast 90 Prozent in Salzburg und Wien. Damit ist hier das Verhältnis noch ungünstiger als bei den fossil betriebenen PKW, die auch zu 60 Prozent Firmen gehören, wie Kerle betont. Im Zuge der österreichischen Budgetkrise geäußerte Ideen, die steuerlichen Privilegien bei der Nutzung von Firmenautos zu beschneiden, sind daher hoch gefährlich. Sie könnten neben dem E-Auto-Markt auch den der Verbrenner total einbrechen lassen.

Wie preissensibel die Österreicherinnen und Österreicher bei der Anschaffung eines Neuwagens inzwischen sind, beweist deutlich folgende Tatsache: Am liebsten kaufen Private derzeit Autos der französisch-rumänischen Billigmarke Dacia, deren E-Autos übrigens ebenso aus China stammen wie jene von Seat oder Mini. Nicht nur deshalb wehrt sich der Verband der Automobilimporteure vehement gegen Strafzölle auf chinesische E-Autos. Das schütze die europäische Autoindustrie nicht und schade bei zu erwartenden Gegenmaßnahmen z.B. den deutschen Exporten, stellt Kerle klar. China sei nach wie vor der größte Markt für die deutsche Autoindustrie.

E-Auto-Zulieferer aus Kärnten

Und an ihr hängen viele Zulieferbetriebe, auch in Kärnten. Einige von ihnen sind noch mitten in der Transformation: Mahle Filtersysteme zum Beispiel. Dessen Chef Arnd Franz erklärte dem österreichischen Industriemagazin heuer, dass immer noch 40 Prozent des Umsatzes und ein Großteil des Gewinns an Autos mit Verbrennungsmotor hängen. Ähnlich die Situation beim Klagenfurter Hersteller von Aluminium Sandguss MWS-Aluguss. Dort sind klassische Getriebegehäuse und Ölwannen für fossile Fahrzeuge genauso im Programm wie innengekühlte E-Gehäuse für Elektroautos. Für andere, wie etwa Tribotecc in Arnoldstein, spielt es keine Rolle, weil deren Metallsulfide für Bremsbeläge in jeder Art von Auto zum Einsatz kommen. Ebenso die aufwändigen Scheinwerfer von cms electronics für Premiummarken.

Ein Sonderfall ist Infineon. Dort profitiert man enorm vom Trend zur E-Mobilität. Der Anteil an Halbleitern in Elektroautos übersteigt den Wert der Halbleiter in konventionellen Fahrzeugen um 100 Prozent: Heute stecken Halbleiter im Wert von bis zu 1.000 US-Dollar durchschnittlich in einem Elektrofahrzeug. Bis zum Jahr 2028 werde dieser Wert in Elektrofahrzeugen durchschnittlich rund 1.500 US-Dollar betragen, prognostiziert der Halbleiterhersteller.

In Villach liegt der Fokus auf Chiplösungen für die Elektromobilität z.B. im Bereich Leistungselektronik, bei Mikrokontrollern und Sensorik, in Graz fokussiert man etwa auf Lösungen rund um das Thema Batteriemanagementsysteme. Aber auch die Ladeinfrastruktur hilft der Elektronikriese zu verbessern: In neuen Ladestationen arbeiten Halbleiter von Infineon, die die Ladezeit auf 20 Minuten reduzieren sollen. Neue Technologien auf Basis von Siliziumkarbid (SiC) ermöglichen dieses schnelle Laden erst.

E-Fuels als wichtige Ergänzung

Was die Transformation zum E-Auto für den Autohandel und die Werkstätten bedeutet, wird auch langsam deutlich. Die Gewerbeordnung ändert sich, meint Kerle. Feuersichere Abstellplätze sind gefragt oder eigene Container, in denen beschädigte Elektroautos im Brandfall geflutet werden können. Der Wust an Elektronik im Auto wird auch Service und Fehlerdiagnose softwaretechnisch komplexer machen. Das wiederum wird es kleinen unabhängigen Werkstätten schwer machen mitzuhalten.

Aber ohnehin werden die Verbrenner noch ziemlich lange Zeit das heimische Straßenbild prägen. Wie sich Elektromobilität etwa in Afrika durchsetzen könne, wenn dort elektrischer Strom oft nicht einmal zur Beleuchtung zur Verfügung stehe, ist ohnehin fraglich. Günther Kerle versteht deshalb auch nicht, mit welch religiösem Eifer Kritik an den so genannten E-Fuels geübt werde. Die zugegeben energieintensiv erzeugten E-Fuels zeichnen sich bekanntlich dadurch aus, dass sie jenes CO2, das sie später verbrennen, vorher schon aus der Luft geholt haben. Damit seien sie jedenfalls klimaschutztechnisch den derzeit üblichen fossilen Brennstoffen turmhoch überlegen. Selbst eine Beimischung in Größenordnungen von 30 oder 40 Prozent könne da viel bringen, so Kerle. Er sieht die E-Fuels nicht als Gegenprojekt zur E-Mobilität, sondern als wichtige Ergänzung.

Hoher Wertverlust

Anfang des Jahres hat der große Autovermieter Hertz auf einen Schlag 20.000 seiner Elektroautos verkauft und durch Verbrenner ersetzt. Vor allem der hohe Wertverlust der Fahrzeuge, schien ihm geschäftlich nicht mehr darstellbar. Das denken sich wohl derzeit auch noch viele private Autokäufer. Es braucht schon viel grüne Motivation, über all die Kostennachteile und den Komfortverlust der Elektromobilität hinwegzusehen und sich dann wirklich für ein E-Auto zu entscheiden. Tendenziell werden sich Gutsituierte dabei leichter tun, die für alle Fälle immer noch einen Verbrenner in der Hinterhand haben. Der Rest wird wohl abwarten, bis das elektrische Mobilitätspaket irgendwann rundum überzeugt. Dass der Verkehr in Form der E-Mobilität seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele wird leisten müssen, ist hingegen unbestritten.

M.U.T.letter

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