Kärnten hat eine zwar überschaubare aber dafür vielseitige und kooperationsfreudige Filmszene. Beginnen wir unsere kleine Serie mit zwei Doyens des Spielfilms und der Dokumentation hierzulande: Klaus Graf und Robert Schabus.
Der eine – Klaus Graf – hat in den 24 Jahren seiner Selbständigkeit schon über 100 Filme produziert. Einer davon – „Das Wunder von Kärnten“ – ist 2013 in einer Kategorie sogar mit dem international wichtigsten Preis für Fernsehproduktionen, dem Emmy, ausgezeichnet worden. Der andere – Robert Schabus – hat mit hochpolitischen Dokus wie „Bauer unser“ oder „Mind the Gap“ national und international Furore gemacht. Beiden gemeinsam ist ihr Einsatz für die Branche. Sie engagieren sich in der Fachvertretung der Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer Kärnten sowie in der heuer ihr zehnjähriges Jubiläum feiernden Carinthia Film Commission (Info CFC hier). Letztere ist eine vom Land mit 500.000 Euro ausgestattete Förderstelle, die sowohl internationale, in Kärnten gedrehte Produktionen unterstützt als auch die einheimische Szene. 500.000 klingt zwar nicht nach einem Budget, mit dem man Berge versetzen kann, aber für Klaus Graf ist es mindestens ebenso wichtig, dass es hier AnsprechpartnerInnen und eine Infrastruktur gibt. Die Website ist überraschend einfach und klar strukturiert, Erst-Antragstellenden wird sehr einladend empfohlen, sich telefonisch oder per Mail an die CFC-Geschäftsstelle zu wenden.
Für beide ist es übrigens kein Zufall, dass sich auch ungefähr seit zehn Jahren die Kooperationskultur in der Szene deutlich verbessert hat: Tontechnik, Schnitt, Kamera, Regie oder Drehbuch – da entstehen projektbezogen die unterschiedlichsten Allianzen. Die regelmäßig von der Fachvertretung organisierten Branchentreffs haben viel zum fruchtbaren Austausch beigetragen.
Der Graf und die Powerfrauen
Wir treffen den Doyen des Kärntner Spielfilms in seinem stilvollen Büro im dritten Stock eines der eleganteren historischen Gebäude am Klagenfurter Alten Platz. Eigentlich hat er die Firma Graf Film ja schon so halb und halb an seine Tochter Livia und das engagierte, rein weibliche Team der – wie er sie nennt – „Powerfrauen“ übergeben. Aber Livia ist gerade mit ihrem ersten Baby in Mutterschutz. Der glückliche Großvater muss sich daher als „Karenzvertretung“ zwangsläufig wieder stärker im Unternehmen einbringen. Das freut ihn sichtlich. Schmunzelnd erzählt der bald 67jährige Sunnyboy, wie er mit nicht mal halb so alten Programm-Managerinnen bei Streamingdiensten verhandelt und wie viel er dabei lernt.
Der für Graf Film so wichtige deutsche Markt wächst gerade in gigantischem Tempo. Der Content-Hunger, sowohl der traditionellen Fernsehstationen, die ja inzwischen alle selbst Streaming anbieten, als auch von Netflix, Amazon & Co ist enorm. Das Unternehmen hat da eine eigene Philosophie entwickelt. Sie betrifft einerseits das Quantitative: „Ideal sind für uns so vier bis fünf Projekte pro Jahr“, meint er und korrigiert sich gleich selbst: „Letztes Jahr waren es sogar acht“. Und heuer wird man die wohl auch erreichen. Der Weihnachtsfilm „Dahlmanns letzte Bescherung“ mit deutschen Schauspielstars wie Anja Kling, Heino Ferch oder Jürgen Vogel ist bereits im Kasten, drei weitere Folgen der beliebten Krimiserie „Die Toten vom Bodensee“ werden eben gedreht. „Für jedes Projekt müssen immer wieder neue Teams zusammengestellt werden. Selbst bei Serien wie den erwähnten Toten vom Bodensee habe man von Folge zu Folge eine personelle Fluktuation von 20 Prozent“, erklärt Graf.
Krimis und Dramen
Der organisatorische Aufwand ist also riesig. Und es geht um viel. Selbst wenn so ein 90 Minuten dauernder Spielfilm schon vorher fix an einen Fernsehsender verkauft ist, reden wir da über Projektbudgets von mindestens zwei Millionen Euro. Auch wenig gewiefte Kopfrechner können leicht ermitteln, in welche Umsatzregionen das Unternehmen inzwischen vorgestoßen ist. Und da kommt dann die zweite Komponente der Firmenphilosophie ins Spiel. Man entwickle prinzipiell alle Projekte selbst, betont Graf. Auch wenn es sich manchmal um richtig schwere Geburten handle. So habe man in einer der Erfolgsproduktionen, der Udo-Jürgens-Bio „Der Mann mit dem Fagott“, drei verschiedene DrehbuchautorInnen beschäftigt. Erst nach langen sechs Jahren überzeugte das Ergebnis.
In den letzten Jahren hat KI ganz still und leise schon einen wichtigen Platz eingenommen – von digitalen Bildeinbauten bis zur Unterstützung bei der gesamten Audio-Gestaltung. Aber Klaus Graf zieht eine klare Grenze: „Urheber- und Persönlichkeitsrechte dürfen nicht verletzt werden“. Insofern hatten die 2023 in Hollywood gegen ihre digitalen Klone streikenden Schauspielerinnen und Schauspieler all seine Sympathien. Allein die Vorstellung von 100 Jahre als Avatare weiter existierenden Darstellenden ist ihm ein Gräuel.
In dem Zusammenhang bereitet ihm die finstere Stimmung, die antidemokratische Geschäftemacher weltweit erzeugen, sichtlich Sorgen. Ob Komödien dagegen helfen? Wohl eher nicht: „Die Schwelle zum Lachen ist in Österreich und Deutschland sehr unterschiedlich“, hat Graf gelernt und hält sich daher lieber an Krimis und Dramen. Mit wenigen aber wichtigen Ausnahmen: „Rubikon“, den ersten österreichischen Science-Fiction-Film der Kärntner Regisseurin Leni Lauritsch, der in einer dystopischen Zukunft das Überleben im All thematisiert, hat man sozusagen gegen den Mainstream produziert: in Österreich selbst ein Flop entpuppte er sich international als beachtlicher Erfolg.
Info Graf Film hier
Vom Bauernhof ins Filmgeschäft
Im Sektor Dokumentarfilm ist Kärnten deutlich breiter aufgestellt. Da gibt es eine Reihe von weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Persönlichkeiten: Der auf Sport und Action spezialisierte Gerald Salmina, der mit seinen Filmen u.a. viel am coolen Image der Weltmarke Red Bull mitgestaltet hat. Dann die beiden Naturfilmer Mario Kreuzer und Otmar Penker oder der für seine ungewöhnlichen Reisereportagen oder historischen Dokudramen bekannte Gernot Stadler.
Robert Schabus ist auch schon seit einem guten Vierteljahrhundert im Geschäft. Nach seinem Studium der Medienkommunikation in Klagenfurt, das er zum Großteil im Videostudio des Instituts verbrachte, startete er zunächst mit kleineren Kulturdokus. Einiges davon übrigens mit seinem älteren Bruder Hans, Professor für Skulptur und Raumkunst an der „Angewandten“ in Wien und selbst bekannter Künstler. Beide kommen sie von einem Bauernhof in Watschig bei Hermagor, den ihr dritter Bruder Stefan mit seiner Familie führt.
Aber wer hätte damals ahnen können, dass ausgerechnet diese agrarische „Innensicht“ von Robert Schabus sein großes Coming Out bringen würde? Als er für sein erstes großes Kinoprojekt „Bauer unser“ eine Produktionsfirma suchte, war der Weg zunächst lang und steinig. Gelandet ist er schließlich bei einem anderen Kärntner: Helmut Grasser und seiner in Wien ansässigen Allegro Film. Schon ins Kino lockte der durchaus kritisch die Mechanismen der nationalen und EU-Agrarwirtschaft beleuchtende Film ab 2016 alle Erwartungen übertreffende 100.000 Besucher. Er strahlte aber sogar nach Deutschland und in die Schweiz aus. Der Filmemacher Robert Schabus fand sich plötzlich in Diskussionsveranstaltungen über Landwirtschaft wieder. Die Doku passte perfekt in die damals schwelende Gemengelage um die heftig diskutierten Freihandelsabkommen TTIP und CETA.
Gesellschaftlich relevante Themen
„Dann sind die Türen aufgegangen“, beschreibt Schabus die Folge seiner plötzlichen Bekanntheit. Für die nächste Produktion „Mind the Gap“ (2019) im Umfeld des Brexit und der zunehmenden Krise europäischer Demokratien zog er geografisch einen noch weiteren Kreis zwischen Griechenland im Südosten und Großbritannien im Westen. Solche Langfilme erhalten sein kleines Unternehmen ungefähr zwei Jahre. Von kürzeren wie etwa Dokus über Baukultur, das Klagenfurter Stadtgartenamt oder die soziale Arbeit der Diakonie braucht er einige mehr. Ja, mit der Bekanntheit sei es einfacher geworden, Projekte zu finanzieren, bestätigt Schabus. Wer sich aber wie er für gesellschaftlich relevante und mitunter hoch politische Themen interessiert, hat es prinzipiell wohl deutlich schwerer am Markt der Dokumentarfilme.
Die Homebase des groß gewachsenen Gailtalers ist seit dessen Eröffnung im Jahr 2011 der Klagenfurter Coworking-Space „Hafen 11“. Hier befindet er sich in bester Gesellschaft seiner engsten KollegInnen: Tonspezialist Bertram Knappitsch und Dokumentarfilmerin Marie-Therese Vollmer, die ihn schon bei etlichen Projekten unterstützt haben. Nach wie vor brennt der Mittfünfziger jedenfalls nicht nur auf der produzierenden Seite für das Bewegtbild. Deshalb ist er kürzlich auch beim Klagenfurter „Volkskino“ mit eingestiegen – seit Jahrzehnten eine der Bastionen des anspruchsvollen Films in Kärnten. Auch Schabus ist nämlich einer von denen, die sich der Faszination der großen Leinwände in Lichtspieltheatern nicht entziehen können.
Info Robert Schabus Film hier
In der nächsten Folge lesen Sie dann mehr über die umtriebigen Dienstleister im Kärntner Filmgeschäft.
In der Fachvertretung der Film- und Musikwirtschaft der Wirtschaftskammer Kärnten sind insgesamt 310 Mitglieder registriert, 221 in der Filmproduktion, 89 in der Ton- und Musikproduktion. Ein großer Teil davon sind Ein-Personen-Unternehmen.