„too little & too late“: Der Tourismus braucht Vision – nicht nur beim Fachkräfte-Thema!

Als im Frühjahr die Fachkräfte-Offensive des Landes Kärnten präsentiert wurde, war die Hoffnung des Tourismus groß. Eine Agentur soll Fachkräfte aus dem Ausland anwerben und nach Kärnten bringen. Das Land Kärnten hatte dazu ein europaweites Vergabeverfahren durchgeführt. Aus diesem Verfahren gingen die Trenkwalder Personalvermittlungs GmbH und das Carinthian International Center als Bestbieter hervor. Insgesamt fünf Millionen will das Land in den nächsten Jahren jährlich investieren. Was fehlt ist die Nachhaltigkeit, meint Touristikerin Heide Pichler-Herritsch.

Mit dieser Landesinitiative wird der gesamte Bewerbungsprozess, von den Vorbereitungen zur Erlangung der Rot-Weiß-Rot-Karte, über Begleitung bei Behörden- und Botschaftswegen bis hin zur Dienstvertragsunterzeichnung begleitet. Die Zuteilung von Kontingenten wird durch Branchen-Calls stattfinden und durch einen Expertenrat der Sozialpartner und des AMS festgelegt. Die ersten Calls starteten im Juni in den Branchen Metallverarbeitung, Elektrotechnik und in Pflege- und Gesundheitsberufen.

Heide Pichler-Herritsch, Hotelbetreiberin, Tourismusberaterin und Initatorin des „TeamHaus Kärnten“ ist mit dieser Herangehensweise nicht glücklich: „Grundsätzlich begrüße ich jede Initiative, die Fachkräfte nach Kärnten bringt. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Aber den Tourismus in dieser Startphase so zu vernachlässigen, halte ich für fatal. Es mag schon sein, dass der Tourismus nur ca. 15 % zum BIP des Landes beisteuert. Dennoch: Der Tourismus ist die Visitenkarte des Landes Kärnten.

Und auch das Argument, dass „Touristiker heuer weniger über den Fachkräfte-Mangel jammern“ bedeutet nicht, dass das Problem vom Tisch ist. Sie haben sich einfach der Situation angepasst und resigniert, haben Ruhetage eingeführt und die Öffnungszeiten reduziert. Aber was heißt das? Das heißt, dass man weniger Umsätze macht und die Saisonen weiter verkürzt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden über immer kürzere Zeiträume angestellt. Wir schießen uns da selbst ins Knie!“

Was dem Tourismus fehlt, ist die Vision und ein Plan.

Aber auch die Aufstockung der Kontingente für Saisonarbeiter sieht Pichler-Herritsch als Tropfen auf den heißen Stein: „Die Wirtschaftskammer und Jürgen Mandl haben sich  wirklich bemüht. Aber ich muss ehrlich sagen, wir liegen hier noch immer weit hinter anderen Bundesländern. Tirol und Salzburg haben vier- bis fünfmal so viele Kontingente. Klar sind wir zahlenmäßig kleiner, aber touristisch werden wir immer mit diesen Größen verglichen.“

„Mein Gefühl ist, dass jetzt das ganze Geld nur für Fachkräfteakquise ausgegeben wird. Aber speziell im Tourismus benötigen wir Ressourcen, um langfristige und nachhaltige Konzepte zu verankern. Fix ist: Wir brauchen eine Saisonverlängerung. Wir brauchen eine höhere Wirtschaftlichkeit und wir brauchen eine höhere Effizienz. Das alte Leistungspaket zu erwarten, aber keine neuen Wege zu beschreiten ist einfach zu wenig. Bewegen müssen sich alle. Vor allem mit Geschlossenheit!“

Gefordert sind nicht nur die Politik, sondern auch die Sozialpartner, die Kärnten Werbung mit den Tourismusdestinationen und zu guter Letzt die Betriebe. Bälle werden hin und her geschoben. Und dabei entstehen lauter kleine Insellösungen. Alles gut gemeint, aber nicht effizient. Was fehlt, ist der ganzheitliche Blick in die Zukunft. Wie können wir als Tourismus-Arbeitgeberland nachhaltig wirksam werden?

Das wird nur über die Infrastruktur gehen. Und da reichen einfache Bonusprogramme wie z.B. ermäßigte Liftkarten, Bädereintritte, etc. schon lange nicht mehr. Ein wertschätzender Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern muss umfassend spürbar gemacht werden. Wenn das Gesamtpaket stimmt, dann wird das auch sehr schnell die Runde machen.

Nur ein Drittel ist mit dem Zustand der Unterkunft zufrieden.

„Wir haben bei der Ausarbeitung des ‚TeamHaus Kärnten‘ 2022 und 2023 Umfragen gemacht. Mit fast 1.000 Teilnehmern – hauptsächlich zum Thema Unterkünfte, aber auch zum Lohnniveau und zu generellen Punkten hinsichtlich der Arbeitsplatz-Entscheidung. 53 Prozent sind zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrer Unterkunft. Was aber auch bedeutet, dass fast die Hälfte nicht zufrieden ist. Sieht man bei der Ausstattung, dem Zustand und der Sauberkeit der Unterkünfte genauer hin, dann sind wir hier bei unter 40 – zum Teil unter 30 Prozent(!) – Zufriedenheit. Und da müssen alle Alarmglocken läuten. Die Qualität ist eine Katastrophe!“

Genau hier liegt die Herausforderung. Wir müssen immer mehr Leute aus dem Ausland akquirieren, deshalb auch Unterkünfte bereitstellen. Denn gerade für touristische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die ganzheitliche Lebens- und Aufenthaltsqualität ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit. Die meisten arbeiten direkt am Gast. Stehen im Austausch mit den Gästen.

Wir müssen als Arbeitgeber zum Vorzeigeland werden!

Darum ist es wichtig, dass wir unser gesamtes Tourismusland Kärnten als ‚Employer-Branding-Vorzeigeland‘ sichtbar machen. Es geht um Augenhöhe. Um die Bereitschaft, jene Menschen, die wir zur Mitarbeit in Kärnten bewegen, auch hier zu halten. Bestenfalls ganzjährig. Und vor allem, dass sie positiv über die lokalen Rahmenbedingungen sprechen. Es geht mir darum, dass wir uns auch als ausgezeichnete Gastgeberinnen und Gastgeber gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sichtbar machen.

Denn das verstehe ich unter Nachhaltigkeit. Alle Akquisemaßnahmen sind zu begrüßen. Doch man darf hier nicht zu kurz denken. Leute hierher zu bekommen ist gut. Leute aber zu echten Botschafterinnen und Botschaftern unseres Lebensgefühls und unserer Gastlichkeit zu machen, braucht mehr als Recruiting und Onboarding. Im Tourismus braucht es den Schulterschluss aller Stakeholder. Und endlich den langfristigen Blick nach vorne. Als Touristiker sollten wir heute schon wissen, wo wir in zehn Jahren stehen wollen. Was müssen wir dazu heute schon einleiten, um auch in der Zukunft noch touristisch relevant zu sein. Denn genau diesen Mut, diese klare Vision und diesen Fokus vermisse ich immer noch. Denn den wird uns keine externe Vermittlungsagentur liefern, sondern der muss in unserem Inneren entstehen und dann klar nach außen getragen werden.“

M.U.T.letter

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