Peter Weidinger, der frühere Nationalratsabgeordnete und nunmehrige Jungunternehmer, unterstützt die Wirtschaftskammer beim Zukunftsprojekt AREA Süd. Im M.U.T. spricht er über den Glanz des Augenblicks, die WM im Verhindern und warum die Bahn die Straße braucht.
M.U.T.: Herr Weidinger, Sie sind seit kurzem Unternehmensgründer und eine Art Entwicklungshelfer für das kärntnerisch-steirische Wirtschaftskammerprojekt AREA Süd. Was gefällt Ihnen daran?
Peter Weidinger: Die Koralmbahn ist ein Gamechanger: 45 Minuten von Klagenfurt nach Graz, das ist eine neue Realität für den Süden, der in der Vergangenheit nicht verwöhnt worden ist. Die offizielle Eröffnung Mitte Dezember wird ein glanzvoller Moment für unsere Region. Das Projekt AREA Süd ist die logische wirtschaftspolitische Antwort auf diese Entwicklung – es geht darum, entlang dieser neuen Achse einen gemeinsamen, leistungsfähigen Wirtschaftsraum zu schaffen. Und wir reden hier immerhin vom zweitgrößten Ballungsraum Österreichs mit fast 150.000 Unternehmen, 750.000 Beschäftigten und insgesamt 1,8 Millionen Menschen – das ist kein Regionalvorhaben, das ist eine nationale Aufgabe. Und gerade jetzt ist der richtige Zeitpunkt, weil wir nicht wollen, dass die wirtschaftliche Entwicklung einfach passiert. Wir wollen sie gestalten – strategisch, koordiniert, nachhaltig.
Die Koralmbahn gilt als Jahrhundertprojekt – aber sie ist nur der Anfang. Was braucht es noch?
Richtig, die Koralmbahn ist das Rückgrat, aber ohne funktionierende Verbindungen in die Region hinein bleibt ihr volles Potenzial ungenutzt. Leistungsfähige Straßenverbindungen, moderne Bahnhöfe mit grünem Zubringerverkehr wie etwa der Lavanttalbahn, die als ergänzende Nord-Süd-Mobilitätslösung zwischen Dravograd und Zeltweg wichtig ist: So schaffen wir es, die Vorteile der Koralmbahn in die Regionen hinauszutragen.
Ein ganz konkretes Beispiel ist die S37 – sie verbindet Klagenfurt mit dem oberen Gurktal und weiter Richtung Murau und Judenburg. Diese Achse ist seit Jahren ein Sorgenkind, obwohl Unternehmen aus den Bezirken St. Veit, Feldkirchen, Murau und Murtal eng zusammenarbeiten. Engstellen wie die Hammerlklamm an der jetzigen B317 sind dabei nicht nur ein Risiko, sondern ein handfester Standortnachteil. Wenn wir den Süden Österreichs wirtschaftlich weiterentwickeln wollen, dann braucht es mutige Entscheidungen, nicht endlose Diskussionen oder politische Sabotageakte.
Stichwort S37: Es gab zuletzt viel Kritik am Baustopp und an fehlender politischer Unterstützung. Wie sehen Sie das?
Der Baustopp beim geplanten Lückenschluss S36/S37 war eine ideologiegetriebene Fehlentscheidung – vor allem, wenn wir gleichzeitig Milliarden in die Koralmbahn investieren. Was nützt die beste Bahnverbindung, wenn die Straße daneben im 19. Jahrhundert stecken bleibt? Der gemeinsame Wirtschaftsraum von Kärnten und der Steiermark kann sich nicht nur über einen Tunnel definieren. Ich wünsche mir mehr Mut von der Politik – auf Landes- wie auf Bundesebene. Es geht nicht um Prestigeprojekte, sondern um die Zukunft ganzer Regionen, um Faktoren wie Arbeitsplätze, Mobilität, Standortattraktivität.
Welche Regionen profitieren konkret von der AREA Süd?
Das Projekt betrifft den gesamten Koralmbogen – also von Graz über die Weststeiermark, Wolfsberg und St. Andrä bis Klagenfurt. Aber auch Regionen wie das Lavanttal, das Görtschitztal oder der Zentralraum rund um St. Veit und Villach sind Teil des erweiterten Einzugsgebiets, genauso Spittal bis weiter nach Osttirol und das Gailtal mit dem Plöckenpass. Wenn wir das klug entwickeln, reden wir über einen Wirtschaftsraum, der mit Linz oder Salzburg konkurrieren kann – nicht irgendwann, sondern in den nächsten zehn Jahren.
Wie wollen Sie diesen Prozess steuern – gibt es konkrete Maßnahmen oder Projekte?
Wir arbeiten derzeit an einer umfassenden Standortentwicklungsstrategie, die verschiedene Bereiche umfasst: Infrastruktur, Raumplanung, Bildung, Forschung, aber auch Lebensqualität. Ein Schlüssel ist die Koordination – die Wirtschaftskammer nimmt hier eine aktive Rolle ein, um Gemeinden, Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Behörden zusammenzubringen. Die AREA Süd soll kein theoretisches Konzept sein, sondern ein praktischer Werkzeugkasten für Wachstum.
Wie sehen Sie das Zusammenspiel zwischen Kärnten und der Steiermark? Wird die Koralmbahn die Rivalität zwischen den Bundesländern anheizen?
Wir müssen raus aus dem Kirchturmdenken. Kärnten und die Steiermark sind in diesem Projekt Partner, keine Konkurrenten. Beide Regionen bringen Stärken mit: Graz als dynamischer Innovationsstandort, Klagenfurt als Verwaltungs- und Bildungszentrum, das das Lavanttal mit seiner ausgeprägten Industrie, die Südsteiermark mit ihrer vitalen KMU-Struktur. In der AREA Süd gibt es viele Kraftzentren. Entscheidend ist: Wir müssen gemeinsam auftreten – auch gegenüber Wien und Brüssel. Investitionen in Infrastruktur, Fördermittel für Forschung oder Bildung werden dorthin fließen, wo es gemeinsame Strategien und starke Allianzen gibt.
Zum Schluss: Was wäre aus Ihrer Sicht ein Erfolg für die AREA Süd in den nächsten fünf Jahren?
Ein Erfolg wäre, wenn wir den Begriff „Südachse“ nicht nur als geographische Beschreibung, sondern als wirtschaftliche Realität sehen. Wenn Unternehmen sagen: „Ja, der Süden steht auf, dieser Standort hat Zukunft, hier investiere ich.“ Wenn Jugendliche in der Region bleiben, weil sie attraktive Jobs und ein gutes Leben finden. Wenn es uns gelingt, aus der Koralmbahn einen Impulsgeber für die gesamte AREA Süd zu machen, die bis nach Slowenien und an die Adria reicht – nicht nur für den Personenverkehr, sondern für Wertschöpfung, Innovation und Zusammenarbeit. Ich bin überzeugt: Die Chancen sind da. Jetzt müssen wir sie auch nutzen.