„Der Grasser hat einen Schnaps gebraucht“

Der Super-Landesbeamte Albert Kreiner ist in Pension. Gespräch mit einem Workaholic über sein rund 40 Jahre dauerndes bewegtes Berufsleben, das zwischendurch fast ein abruptes Ende genommen hätte.

Da steht er, einer der bis vor kurzem noch mächtigsten Landesbeamten: Auch im Ruhestand wie aus dem Ei gepellt in Anzug mit Krawatte. Die Augen blitzen durch die randlose Brille und das typisch ironische Lächeln umspielt seine Lippen. Der offensive „Buben-Charme“ kam allerdings nicht überall gut an. Gerade Grünbewegte sahen in dem entscheidungsfreudigen Abteilungsleiter, der über die Jahre eine Fülle von Kompetenzen in den Bereichen Infrastruktur, UVP, Gewerberecht, Kärntner Wirtschaftsförderung, Beteiligungsverwaltung, Tourismus und sogar Glücksspiel an sich gezogen hatte, so etwas wie den Beelzebub.

„Unser Job ist nicht, zu sagen, wie es nicht geht, sondern das Recht lebensnah zu gestalten“, Albert Kreiner.

In legendären UVP-Verfahren wie dem zum geplanten Gaskraftwerk in Klagenfurt geriet er regelrecht zum Buhmann der Region. Das Kraftwerk wurde letztlich doch nicht gebaut, weil sich die klimapolitischen Rahmenbedingungen änderten und Hauptinvestor Verbund noch vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ausstieg. Eine Chronik der Ereignisse finden Sie hier auf ORF-Kärnten. Albert Kreiner sieht sich dennoch als entschiedenen Verfechter des Prinzips der Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie. Die Rechtsordnung kenne nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch Grautöne. Und gerade in Bezug auf Genehmigungsverfahren wird er noch deutlicher: „Unser Job ist nicht, zu sagen, wie es nicht geht, sondern das Recht lebensnah zu gestalten“.

HCB und Herzprobleme

Beim berüchtigten HCB-Skandal im Jahr 2014 kam er allerdings an seine physischen und psychischen Grenzen. Da huscht kurz ein Schatten über sein Gesicht, wenn er schildert, dass er Maßnahmenkoordinator, Regierungs- und Behördensprecher in einem war. Schon in „normalen“ Jahren kam Kreiner im Schnitt auf zwischen 400 und 800 Überstunden pro Jahr. Anders als im Magistrat Klagenfurt wurden diese allerdings mit einer Überstundenpauschale abgegolten. Während der heißen Phase in der Auseinandersetzung mit dem Umweltgift HCB schlief er nur mehr ein bis zwei Stunden pro Nacht, musste – auch die Zahl hat er ganz genau im Kopf – insgesamt 6.387 Entscheidungen fällen.

Das Hauptproblem war, dass zwar prinzipiell bekannt war, woher die Belastung im Görtschitztal kam (aus dem Zementwerk in Wietersdorf), man darüber hinaus allerdings zunächst im Dunkeln tappte. Weder ließ sich zunächst genau festmachen, wie sich das HCB genau verteilt hatte, noch wer genau dafür verantwortlich war. Und noch schlimmer: Auch über die Gefährlichkeit der Belastungen gab es zeitweise sehr divergierende Einschätzungen. Kreiner rettete sich mit zehn bis fünfzehn Espressi über den Tag und bekam prompt Herzprobleme. Selbst auf der Liege in Richtung Operationssaal, wo ihm drei Bypässe gelegt wurden, schrieb er noch Mails. Das hätte auch anders ausgehen können.

Rückblickend lobt er die positive Zusammenarbeit sowohl mit den Kollegen in allen Abteilungen als auch mit der Wietersdorfer Gruppe, während er nun einen kräftigen Schluck Kräutertee aus der Tasse nimmt. Mit Landeshauptmann Peter Kaiser – einem ähnlichen Workaholic – telefonierte er damals sogar nachts um halb drei. Der Imageschaden, den Kärnten erlitt, ist heute zum Glück schon wieder fast vergessen.

Kabarett und Kettensäge

Überhaupt bemühte sich Kreiner stets um ein korrektes Verhältnis zu den für seine Ressorts verantwortlichen Politikern. Wirtschaftsreferent Sebastian Schuschnig war nach seinen Angaben bereits das 36. Regierungsmitglied, das für Bereiche seiner Abteilung zuständig war. Darunter so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Gerhard Dörfler (FPK) oder Rolf Holub (Die Grünen). Heute geht er mit leichter Hand darüber hinweg, aber der Übergang vom martialischen Kettensägen-Mann in der Pannenjacke zum grünen Kabarettisten mit Klimaambition muss hart gewesen sein. Am Ende fühlte er sich jedenfalls von beiden geschätzt. Der breit als neues Gesamtverkehrskonzept mit allen relevanten Interessengruppen erarbeitete Mobilitäts-Masterplan war von großer Sachlichkeit geprägt. Viel mehr machte ihm das Bild in der Öffentlichkeit zu schaffen, wo er nach der Ära Dörfler plötzlich als Freiheitlicher abgestempelt wurde und man ihm zunächst in der neuen Landesregierung (ab 2013, der letzten vor der Abschaffung des Proporzes) mit großer Reserviertheit begegnete.

Stolze Bilanz

Was hat Kreiner in seinen rund 40 Jahren Arbeitsleben zusammengebracht? Im Gespräch fügt er gleich chronologisch zusammen, woran er maßgeblich beteiligt war:

  • Ab 1984 noch in der Steiermark, wo seine berufliche Karriere begann, die erfolgreichen Verhandlungen über einen Bohrvertrag für die heute auch von Kärntnern geschätzte Therme in Blumau.
  • Ab 1988 dann zunächst im Kärntner Verfassungsdienst die rechtlichen Grundlagen für die Ausgliederung der Hypobank. Mit den später aufgeweichten Regeln für die Landeshaftung hatte er dann allerdings nichts mehr zu tun. Die wurde mit einer breiten Mehrheit in der Landesregierung abgesegnet und stürzte Kärnten später in die schlimmste Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg.
  • Auch die Ausgliederungen von KABEG (Krankenanstalten) und KWF (Wirtschaftsförderung) trugen Kreiners Handschrift. Um ein Haar wären – wie von der SPÖ favorisiert – zum schnellen Gewinn sogar die Grundstücke der KABEG verkauft und wieder zurückgeleast worden. LH Jörg Haider (FPÖ) und Georg Wurmitzer (ÖVP) sträubten sich, und wenige Jahre später sei es mit der finanziellen Attraktivität dieses Modells ohnehin vorbei gewesen, so Kreiner.
  • Das KWF-Gesetz habe bis heute EU-rechtskonform gehalten, freut sich Kreiner. Erst unter dem aktuellen Geschäftsführer Roland Waldner sei man wieder auf ihn zugekommen. Der KWF sei eine Welt in sich gewesen. Kein Unternehmer hätte ohne Anweisung mit dessen Mitarbeitern reden dürfen. Das stand dem Wunsch entgegen, die Organisation zu öffnen, hinaus zu den Betrieben zu gehen, um sie bei ihren Projekten zu unterstützen. Kreiner sieht in den wenigen Monaten der neuen Geschäftsführung einen Quantensprung: „Die Stimmung zwischen Land und KWF ist noch nie so gut gewesen und der KWF noch nie so nah an den Unternehmen.“

Schnaps und Koralmbahn

Als Abteilungsleiter hat Kreiner dann allerdings vor allem im Infrastrukturbereich punkten können. An der Verländerung der Bundesstraßen war er ebenso beteiligt wie am Koralmbahnvertrag mit Kärnten und Steiermark, der unter Verkehrsminister Hubert Gorbach (FPÖ) gegen erbitterten Widerstand der anderen Bundesländer durchgesetzt wurde. Vom damaligen Finanzminister Karl Heinz Grasser weiß Kreiner zu berichten, dass er nach der Unterzeichnung einen Schnaps brauchte. Dessen vielzitiertem Satz „Ein guter Tag beginnt mit einem ausgeglichenen Budget“ war das Mammutprojekt im Süden nicht unbedingt zuträglich. Auch wenn es – wie inzwischen mehrere Studien belegen – Milliarden an Umwegrentabilität bringen wird.

Aber Kreiner beschäftigte sich auch mit der Verkehrsplanung eine Etage darüber auf europäischer Ebene. Mit Prof. Harald Eicher vom Geografie-Institut der Uni Graz schnapste er sich buchstäblich am Kaffeetisch eine neue „Baltisch-Adriatische Achse“ aus, die dann – flugs wissenschaftlich untermauert – beim Schieneninfrastrukturgipfel Süd 2004 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Sie brachte den nötigen Rückenwind für Projekte wie die Koralmbahn oder den Semmering-Basistunnel. Sie verhinderte aber gleichzeitig auch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber dem – Österreich im Osten umfahrenden – Korridor V.

Der Grasser hat einen Schnaps gebraucht
Kreiner bei der Verleihung des großen Goldenen Ehrenzeichens des Landes mit Ehefrau Gerhild Hubmann und den Landesräten Martin Gruber, Sebastian Schuschnig und Daniel Fellner sowie Landtagspräsident Reinhart Rohr. Foto: LPD

Licht im Paragrafendschungel

Auch in die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren kam langsam Bewegung. Verfahrenskoordinatoren in den Bezirkshauptmannschaften helfen den Unternehmen im Paragrafendschungel. Gesetzesnovellen wie jene zur Energiewende versuchen, komplexe Rechtsmaterien zu entflechten und vereinfachen. Schwierig werde es immer dann, betont Kreiner, wenn politische Kompetenzen aufgegeben werden müssen. Ein Teil der Gemeinden hat dennoch bereits die Bauagenden an die Bezirkshauptmannschaften übertragen, wo man erstens juristisch besser aufgestellt ist, zweitens Zuständigkeiten zeitsparend bündeln kann. Es gibt unter den Bürgermeistern aber nach wie vor hartnäckige Verweigerer, die sich das nicht aus der Hand nehmen lassen wollen. Bei den von Kreiner immer wieder ins Spiel gebrachten so genannten Gebietsgemeinden, also defacto einer verwaltungstechnischen Fusion mehrerer kleiner Gemeinden, welche die politische Vertretung unangetastet ließe, biss man allerdings bisher auf Granit.

Kreiner im Wald

Kann Albert Kreiner jetzt einfach so loslassen? Natürlich dürfe man ihn nach seiner Expertise fragen, zeigt er sich nicht abgeneigt, weiter mitzumischen. Aber aufdrängen werde er sich nicht. Die Verbindung in die Landesverwaltung besteht ja auch von anderer Seite weiter. Albert Kreiner ist in zweiter Ehe mit der Leiterin der Abteilung Bildung und Sport im Amt der Kärntner Landesregierung, Gerhild Hubmann, verheiratet.

Und dann ist da noch der 1898 von seinem Urgroßvater gekaufte Bauernhof bei Althofen. Die landwirtschaftlichen Flächen sind zwar verpachtet, den Wald bewirtschaftet er aber mit Unterstützung eines Nebenerwerbslandwirts weiter selbst. Das Bauernhaus wurde neu errichtet, die historischen handgeschmiedeten Türen blieben Blickfänge. Wer weiß, wie lange es Albert Kreiner, der so viele Jahre die Kärntner Verwaltung und Politik geprägt hat, daheim aushalten wird.

M.U.T.letter

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