Hinter dem beachtlichen Shitstorm über den Acht-Euro-Räuberteller am Wörthersee verbergen sich nicht nur persönliche Motive, sondern auch eine fundamentale Krise des Kärntner Tourismus.
Das Kärntner Sommerlochspektakel des Jahres 2024 kostete nur acht Euro, schaffte es in Deutschland in „Bild“, „Focus“, „Stern“ und sogar in die sonst über derartigen Kokolores erhabene „Zeit“ und verursachte einen veritablen Imageschaden für die gesamte Tourismusdestination. Von ironisch bis Schaum vorm Mund waren die Kommentare über den „Räuberteller“, mit dem ein Wörtherseegastronom versuchte, der Sparefrohmentalität gewisser Gäste einen Riegel vorzuschieben. Das verdankt der heimische Tourismus zum einen den Brüdern Haselmayer: Christof, dem Neos-nahen Selfmade-Meinungsforscher, der das Thema social-media-gerecht brachial lostrat („Kärntens Tourismus ist größtenteils zum Kotzen“); und Wilfried, dem FPÖ-nahen Steuerberater, dem der Selfmade-Sternekoch Abnoub „Abi“ Shenouda, Sohn ägyptischer Einwanderer, seit langem ein Dorn im rechten Auge ist.
Zum anderen war es ausgerechnet das größte Kleinformat des Landes, das den letztlich europaweiten Shitstorm nach Kräften befeuerte. Als der Flächenbrand nach Tagen heftigster Erregung nachließ, rückte man sogar noch die zusammenfassenden Auslassungen eines pensionierten Gastro-Kritikers ins Blatt und auf die Website, um noch ein paar letzte Mausklicks Spätempörter einzusammeln. Sogar die „Kinderzeitung“ berichtete darüber, „Warum ein Räuberteller für Aufregung sorgt“. Dann, nach fast zwei Wochen hemmungslosem Kärnten-Bashing, war der Spuk vorüber.
Was bleibt, ist Ernüchterung. Über die angesehene und wohlhabende Familie Haselmayer, die ein solches Fass aufmacht, weil einer ihrer Sprosse beim Nobelwirt am schönsten See Österreichs ein paar Euro zusätzlich auslegen musste und der seine sommerliche Social-Media-Präsenz hochhalten wollte. Über Branchenkollegen am See, die zwar selbst satte Zusatzeinnahmen als „Gedeck“ kassieren, sich aber die hämische Kollegenkritik nicht verbeißen konnten. Über eine Zeitung, der der schnelle Klick wichtiger war als der lange Kundenkontakt in die Tourismusbranche und die Gastroszene; von einer gewissen Verantwortung für Land&Leute ganz zu schweigen.
Die saisonal aufgeblasene Aufregung um den Räuberteller könnte allerdings sogar einen positiven Effekt haben: Nachdem sich die Rauchschwaden des sozialmedialen Feuerwerks verzogen haben, werden vielleicht die wirklichen Herausforderungen für die Destination Kärnten sichtbar. Warum fällt Kärnten trotz seiner natürlichen Vorzüge immer weiter hinter die Top-Regionen Tirol und Salzburg zurück? Wie kann es passieren, dass Kärnten seinen ewigen dritten Platz in der Nächtigungsstatistik an die Steiermark verliert – und darüber nicht einmal diskutiert wird? Was ist schiefgegangen, dass Experten dem heimischen Tourismus Investitionsstau, mangelndes Angebot und fehlende Begehrlichkeit attestieren? Und vor allem: Wie kommt Kärnten aus dem Abwärtstrend?
Offenbar hat das Land immer noch Schwierigkeiten, die gute alte Zeit des Fremdenverkehrs endgültig hinter sich zu lassen. Wenn die provinzielle Acht-Euro-Sommerlochdebatte dazu beiträgt, endlich über die wahren Ursachen der Krise im Kärntner Tourismus zu diskutieren und diese für die Kärntner Wertschöpfung, aber fast noch mehr für das Kärntner Selbstverständnis so wichtige Branche wieder zukunftsfähig zu machen, dann wird sie am Ende vielleicht sogar für etwas gut gewesen sein.