Die Wirtschaft steckt in einer Krise, heißt es immer wieder. Unternehmen klagen über Fachkräftemangel, rasant steigende Kosten und eine junge Generation, die sich nicht mehr „richtig“ ins Arbeitsleben einfügen will. Doch zur Wahrheit gehört auch: Die Arbeitswelt leidet nicht nur unter einem Nachwuchsproblem, sondern viele Firmen leiden unter einem Kulturproblem. Denn die veraltete Denke von starren Hierarchien, Wettbewerbsdruck und Profitmaximierung um jeden Preis ist nicht mehr zeitgemäß. Was Unternehmen jetzt brauchen, ist eine Wachstumskultur – aber nicht nur auf dem Papier, sondern in gelebter Praxis.
Wachstumskultur statt Stillstand
Der Begriff „Wachstumskultur“ beschreibt ein Umfeld, in dem Mitarbeitende und Führungskräfte gleichermaßen dazu ermutigt werden, neue Wege zu gehen, Fehler als Lernmöglichkeiten zu begreifen und sich stetig weiterzuentwickeln. Die Universitätsprofessorin Mary C. Murphy beschreibt in ihrem Buch „Cultures of Growth“ („Wachstumskultur“) genau diesen Ansatz: sie beschäftigt sich mit Mindset-Theorien und deren Einfluss auf Menschen, Teams und Organisationen. Es geht darum, eine Umgebung zu schaffen, in der Entwicklung nicht nur erlaubt, sondern aktiv gefördert wird.
Doch hier liegt der Kern des Problems: Viele Unternehmen berufen sich auf Innovation und Weiterentwicklung, meinen damit aber lediglich wirtschaftliches Wachstum und Umsatzsteigerung. Mitarbeitende sollen produktiver sein, Prozesse effizienter, das Unternehmen schneller. Doch echte Wachstumskultur bedeutet nicht „schneller, höher, weiter“, sondern die Bereitschaft, Strukturen und Denkweisen grundlegend zu hinterfragen. Und das bedeutet auch: Fehler zulassen, Hierarchien aufbrechen und Menschen mehr zutrauen, als es klassische Managementkonzepte vorsehen.
- Führungskräfte als Vorbilder: Sie müssen Wachstum vorleben und aktiv fördern.
- Mitarbeiterbeteiligung: Wer mitgestalten kann, ist motivierter und trägt Verantwortung.
- Lernen als Kernwert: Weiterbildung muss als Investition gesehen werden, nicht als Kostenfaktor.
- Fehler als Chance: Unternehmen mit Wachstumskultur nutzen Misserfolge als Lernmöglichkeit.
Der Clash der Generationen: Warum alte Denkweisen nicht mehr funktionieren
Die Arbeitswelt erlebt einen Paradigmenwechsel, der sich in den Diskussionen um „Quiet Quitting“, Work-Life-Balance und Sinnhaftigkeit widerspiegelt. Millennials und die Generation Z stellen sich nicht mehr als KarrieresoldatInnen in die Reihen eines Unternehmens, das sie als austauschbare Ressource betrachtet. Die Generation Z fordert mehr Sinnhaftigkeit in ihrer Tätigkeit, Entwicklungschancen und eine Unternehmenskultur, die auf Vertrauen statt auf Kontrolle setzt. Flexible Arbeitsmodelle sind längst keine Ausnahme mehr, und Künstliche Intelligenz verändert ganze Branchen. Wer als Unternehmen nicht nur reagieren, sondern aktiv gestalten will, braucht ein Umdenken.
Quiet Quitting beschreibt die bewusste Entscheidung von Mitarbeitenden, nur das zu leisten, wofür sie bezahlt werden, ohne darüber hinausgehende Mehrarbeit oder ständige Erreichbarkeit in Kauf zu nehmen. Es ist eine Abkehr von der Hustle Culture und setzt klare Grenzen zwischen Beruf und Privatleben.
Erfolgreiche Unternehmen setzen auf Wachstum
Ein Vorzeigebeispiel für Wachstumskultur in Kärnten ist die E-Commerce Agentur LOGMEDIA von Marc Gfrerer mit Sitz in Villach. Er verfolgt einen Ansatz, der Flexibilität, Innovation und Mitarbeiterzufriedenheit kombiniert. „Wir haben uns von starren Arbeitszeitmodellen verabschiedet und setzen auf maximale Flexibilität. Unsere Mitarbeitenden entscheiden selbst, wann und wo sie arbeiten – sei es für eine verlängerte Mittagspause, um das Kind abzuholen, oder für einen 4- bis 6-wöchigen Urlaub am Stück. Diese Freiheit steigert nicht nur die Zufriedenheit, sondern auch die Produktivität und Kreativität unserer Teams,“ erklärt Gfrerer.
Mit Power Days und KI zur Zufriedenheitsinnovation
Doch eine echte Wachstumskultur geht über flexible Arbeitszeiten hinaus. Sie bedeutet, den Menschen als Ganzes zu sehen und seine individuellen Bedürfnisse ernst zu nehmen. „Es geht nicht nur um Effizienz und Leistung, sondern auch darum, welche Themen unsere Mitarbeitenden wirklich beschäftigen. Wir haben beispielsweise die Einführung von ‚Power Days‘ für menstruierende Mitarbeiterinnen beschlossen – ohne Attestpflicht. Das ist ein Schritt in Richtung einer Unternehmenskultur, die sich an den realen Herausforderungen unserer Teams orientiert,“ betont Gfrerer.
Ein weiterer zentraler Punkt ist der Umgang mit Künstlicher Intelligenz. „Wir setzen gezielt auf den Einsatz von KI-gestützten Tools, um unsere Mitarbeitenden zu entlasten und ihnen mehr Zeit für kreative und strategische Aufgaben zu geben. Dazu gehört auch, dass wir regelmäßig intern umfassende Schulungsprogramme anbieten. So bleibt unser Unternehmen innovationsfähig und unsere Mitarbeitenden entwickeln sich kontinuierlich weiter,“ so Gfrerer weiter.
Wachstum braucht Mut
Wachstumskultur ist nicht nur eine Frage der Unternehmensstrategie, sondern eine Frage der Zukunftsfähigkeit. Wer in der neuen Wirtschaftswelt bestehen will, muss sich anpassen – nicht nur technologisch, sondern vor allem kulturell. Eine echte Wachstumskultur ist keine Modeerscheinung, sondern ein entscheidender Erfolgsfaktor. Denn die Unternehmen, die heute noch an alten Strukturen festhalten, werden morgen von denen überholt, die verstanden haben: Nur wer sich verändert, kann wachsen.